Laienreanimationsquote weiterhin zu niedrig - NRW führt Unterricht verpflichtend ein
Etwa jeder fünfte Herz-Kreislauf-Stillstand ereignet sich hierzulande in der Öffentlichkeit. Lebensrettende Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen jedoch nur wenige Menschen – hauptsächlich aus Angst, einen Fehler zu machen. Aber auch Ekel und Unkenntnis spielen eine Rolle. Wie es gelingen kann, mehr Menschen über Laienreanimation aufzuklären und dadurch die Bereitschaft und Fähigkeit zur Hilfeleistung im Notfall zu erhöhen.

Eine Person liegt bewusstlos am Boden, ist nicht mehr ansprechbar und atmet nur noch unregelmäßig oder gar nicht mehr. So kann ein plötzlicher Herz-Kreislauf-Stillstand aussehen. Nach Angaben des Deutschen Reanimationsregisters passiert das jährlich rund 136.000 Menschen deutschlandweit außerhalb eines Krankenhauses. Etwa 70.000 von ihnen werden reanimiert – nur etwa jeder zehnte Betroffene überlebt. Diese Rate sei seit Jahren stabil, erklärte die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Viele Fälle von Herz-Kreislauf-Stillstand finden in der Öffentlichkeit statt, beispielsweise in Bussen und Bahnen. Doch nur wenige Menschen sehen sich in der Lage, zu helfen. Der Rettungsdienst benötigt jedoch im Schnitt circa neun Minuten, um zu Hilfe zu kommen. In mehr als der Hälfte der Fälle sind Personen anwesend, die eingreifen und durch Herzdruckmassage die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes überbrücken könnten.
Laienreanimationsquote nach wie vor zu niedrig
Bei einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand kommt es innerhalb von drei bis fünf Minuten zu irreversiblen Schäden im Gehirn, wenn keine Herzdruckmassage erfolgt. Eine gut ausgeführte Laienreanimation mithilfe der Herzdruckmassage versorgt das Gehirn weiter mit Sauerstoff und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die betroffene Person überlebt, um das Dreifache. Die Quote der Laienreanimation lag im Jahr 2024 in Deutschland jedoch nur bei 55 Prozent und damit deutlich unter den Quoten anderer europäischer Länder. Aktuellen Zahlen zufolge nehmen inzwischen in zwei Prozent der Fälle Ersthelfer vor dem Eintreffen der Rettungskräfte eine Defibrillation, einen Schock durch Gleichstrom, vor. Dies sei ein klarer Hinweis auf die Wirksamkeit von Smartphone-basierten oder anderen Helfer-vor-Ort-Systemen. „Diese Entwicklung ist ermutigend“, machte Matthias Fischer, Mitglied im Organisationskomitee des Deutschen Reanimationsregisters, deutlich.
„Das Problem ist, dass die meisten Menschen erst dann einen Kurs machen, wenn sie jemanden pflegen oder eine Notsituation erlebt haben, in der sie nicht wussten, wie sie richtig helfen können.“
Sachgebietsleitung Ausbildung im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz beim DRK
Erste-Hilfe-Kurse liegen oftmals Jahre zurück
Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) fühlt sich ein Viertel der Deutschen nicht in der Lage, in einer Notsituation Erste Hilfe zu leisten. „Über 40 Prozent der Befragten gaben außerdem an, dass ihr letzter Erste-Hilfe-Kurs über 15 Jahre zurückliegt. Das Problem ist, dass die meisten Menschen erst dann einen Kurs machen, wenn sie jemanden pflegen oder eine Notsituation erlebt haben, in der sie nicht wussten, wie sie richtig helfen können“, erläuterte Dr. Tanja Mansfeld, Sachgebietsleitung Ausbildung im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz beim DRK, gegenüber G+G. Sie betonte, dass das DRK sich nachdrücklich dafür einsetze, ab der 7. Klasse jährlich zwei Unterrichtsstunden in Wiederbelebung in allen Bundesländern einzuführen.
NRW führt Reanimationsunterricht verpflichtend an Schulen ein
Nordrhein-Westfalen wird als erstes Bundesland diesen Schritt gehen. Ab dem Schuljahr 2026/27 wird es dort verpflichtend an allen weiterführenden Schulen Reanimationsunterricht geben. „Jede Schülerin und jeder Schüler soll mindestens einmal in den Klassen 7, 8 oder 9 eine Schulung zur Laienreanimation im Umfang von 90 Minuten erhalten“, machte Dorothee Feller, Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, gegenüber G+G deutlich. „Zudem ermutigen wir Förderschulen und private Ersatzschulen, Reanimationsunterricht durchzuführen.“
Andere europäische Länder konnten Quote erhöhen
In Ländern wie Schweden oder den Niederlanden verfügen wesentlich mehr Menschen als in Deutschland über Kenntnisse der Laienreanimation. Die Quote liegt dort bei bis zu 80 Prozent. Jan-Thorsten Gräsner, Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein erklärte gegenüber G+G, dass in den Niederlanden in den vergangenen Jahren, regional begrenzt auf Amsterdam und die Großregion, enorme Anstrengungen bei der Ausbildung von Laien erbracht worden seien. Zusätzlich habe es groß angelegte Medienkampagnen gegeben und die Anzahl an öffentlich zugänglichen automatischen Defibrillatoren (so genannten AED) sei massiv gesteigert worden. In Norwegen werde seit Jahrzehnten die Herzdruckmassage wie auch die Beatmung in den Schulen unterrichtet. „Diese frühe Heranführung an die einfachen Maßnahmen im Kindesalter und die Gewissheit, dass bis zum Eintreffen der Profis die Laienreanimation überlebenswichtig ist, sind ein Teil des Erfolgsrezeptes, das Norwegen erneut in der aktuellen europäischen Vergleichsstudie auf Platz eins gebracht hat“, so Gräsners Überzeugung.
Was passiert beim Herz-Kreislauf-Stillstand?
Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand setzt die Pumpfunktion des Herzens aus und der Blutkreislauf kommt zum Stillstand. Lebenswichtige Organe werden nicht mehr mit Sauerstoff versorgt, Gehirnzellen erleiden nach drei Minuten bereits irreparable Schäden und sterben ab. Häufigste Ursache eines Herz-Kreislauf-Stillstandes ist eine Herzerkrankung. In der Notfallversorgung ist die akute Herzinsuffizienz eine der häufigsten Diagnosen. Als Ursache spielen beispielsweise Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, akuter Herzinfarkt, eine Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder Herzklappenfehler eine Rolle.
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