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Papierlose E-Verordnung für Krankentransporte entlastet alle Beteiligten

24.11.2025 Irja Most 5 Min. Lesedauer

Als umständlich und fehleranfällig erweist sich die Papier-Verordnung von Krankentransporten. Das Gesundheitswesen könnte auch an dieser Stelle von der Digitalisierung profitieren, wie eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der AOK Rheinland/Hamburg nun in einem Impulspapier darlegt.

Eine Ärztin gibt Daten in ein Tablet ein.
Ärztinnen und Ärzte könnten durch eine elektronische Verordnung der Krankenbeförderung deutliche Entlastung erfahren.

Ein bürokratischer Kraftakt ist der bisher analoge Prozess für die jährlich mehr als 50 Milliarden Krankenbeförderungen. Denn der aktuell papierbasierte Vorgang ist nicht nur fehleranfällig, sondern kostet mehr als vier Millionen Arbeitsstunden in den Arztpraxen im Jahr. Zu diesen Erkenntnissen kommt eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Medizin, Pflege, Krankenkassen und Transportwesen. Die Fachleute haben gemeinsam mit der Nationalen Agentur für Digitale Medizin Gematik ein Impulspapier erarbeitet, das die Einführung einer elektronischen Verordnung (E-Verordnung) für Krankenbeförderungen beschreibt.

Ziel ist es, den aktuell umständlichen Prozess in einen digitalen, sicheren und transparenten Ablauf zu überführen. Denn die derzeitige Verordnung erfolgt über das Formular „Muster 4“, das manuell ausgefüllt, per Hand unterschrieben und abgerechnet werden muss. Mit dem Nachteil, dass fehlerhafte Angaben, verlorene Formulare und aufwendige Nachprüfungen zu Bürokratie und Verzögerungen führen können. Rund zehn Prozent der Papierverordnungen enthalten laut Arbeitsgruppe Fehler.

AOK-Projekt seit 2023 erfolgreich in der Erprobung

Positive Erfahrungen auf dem Gebiet der E-Verordnung von Fahrkosten hat bereits die AOK Rheinland/Hamburg gesammelt, die ein Vertreter in der Arbeitsgruppe der Gematik einbringen konnte. Denn seit Juli 2023 setzt die AOK Rheinland/Hamburg - gemeinsam mit den AOKs Nordwest und Sachsen-Anhalt – ein solches Projekt nach „Muster 16“ um. Die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte nutzen nach Angaben der AOK Rheinland/Hamburg dafür das Arztinformationssystem der CompuGroup Medical (CGM). Bei dem Projekt werde in der Arztpraxis die Verordnung direkt am Computer ausgefüllt, gesteuert über ein Regelwerk, welches das Herzstück bilde. Genehmigungspflichtige Fahrten werden nach Zustimmung der Versicherten demnach als Datensatz an den Kostenträger übermittelt.

„Durch diese Implementierung reduzierte sich bei den elektronischen Verordnungen die Zahl der Rückfragen beispielsweise der AOK Rheinland/Hamburg an die Arztpraxen von 70 auf unter zehn Prozent“, erläutert Christoph Niersmann, Fachkoordinator im Bereich Leistungen bei der AOK Rheinland/Hamburg, die Vorzüge. Das System führe eine qualitätssichernde Prüfung durch, bei der auf Dinge wie Vollständigkeit oder Plausibilität der Angaben geachtet werde. „Dadurch wird das Praxisteam unterstützt. Außerdem beschleunigt sich für die Versicherten der Genehmigungsprozess“, so Niersmann.

Krankenbeförderung hat hohe Relevanz für Kassen

Eine bundesweite E-Verordnung für die Krankenbeförderung, wie im Gematik-Impulspapier dargelegt, hat für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung signifikante Bedeutung. Denn allein im Jahr 2023 gab es 40 Millionen Krankenbeförderungen per Taxi und Mietwagen sowie 5,6 Millionen durch spezialisierte Krankentransporte. Hinzu kommen 7,8 Millionen Rettungsfahrten und Fahrten im Notarztwagen.

Die Fachleute der Gematik-Arbeitsgruppe haben sich in ihrem Papier konkret auf die Krankenbeförderung konzentriert. Erstattungsanträge sowie Rettungstransporte wurden hingegen ausgeklammert. Geregelt ist die derzeit geltende Verordnung von Fahrkosten in Paragraf 60 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).

Grundsätzlich wird zwischen Fahrten unterschieden, die genehmigungsfrei verordnet werden können und Fahrten, die von der Krankenkasse genehmigt werden müssen. Zur verordneten Krankenbeförderung müssen Versicherte eine gesetzliche Zuzahlung leisten, insofern sie keine Befreiung davon haben.

Prozess für E-Verordnung erfolgt in fünf Phasen

Die im Impulspapier vorgeschlagene digitale Lösung für die Krankenbeförderung soll alle Beteiligten miteinander vernetzen, dazu zählen Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen, Transportunternehmen sowie Patientinnen und Patienten. Der entworfene Prozess gliedert sich in fünf Phasen. Danach erstellen Ärzte und Ärztinnen die E-Verordnung direkt im Praxis- oder Krankenhausinformationssystem. Plausibilitätsprüfungen und automatische Hinweise sollen Fehler vermeiden. Zur Prüfung und Genehmigung wird die Krankenkasse über den digitalen Fachdienst informiert. Genehmigungspflichtige Fahrten können direkt elektronisch geprüft und freigegeben werden, idealerweise in Echtzeit.

Einen Zugang erhalten Patientinnen und Patienten per digitalem Schlüssel, beispielsweise in Form eines QR-Codes. Darüber können sie das Transportunternehmen ihrer Wahl beauftragen. In Phase vier wird nach der Fahrt die Durchführung digital bestätigt und die gesetzliche Zuzahlung kann direkt abgerechnet werden. Im letzten Schritt rechnen die Transportunternehmen elektronisch mit der Krankenkasse ab, inklusive automatisierter Leistungsnachweise.

Entlastung durch weniger Aufwand und mehr Transparenz

Hauptvorteil der E-Verordnung ist laut Arbeitsgruppe neben weniger Aufwand auch mehr Transparenz. Denn die Kommunikation werde vereinfacht und die Nachvollziehbarkeit von Genehmigungen verbessert. Auch Patientinnen und Patienten profitierten: Sie könnten ihre Transporte einfacher beauftragen und deren Status jederzeit digital einsehen.

Bei dem Projekt der drei AOKs hat sich den Angaben nach bereits gezeigt, dass bei der E-Verordnung die Implementierung eines Regelwerks in Form von Kann- und Mussfeldern sowie einer Ausfülllogik Ärztinnen und Ärzte deutlich entlaste. Unter anderem würden genehmigungsfreie Fahrten direkt erkannt, ohne den Weg über die Krankenkasse nehmen zu müssen. Die Versicherten könnten in diesen Fällen unmittelbar einen Fahrdienstleister ihres Vertrauens beauftragen.

Veränderte Prozesse oder auch neue Gesetze könnten direkt in das Regelwerk eingepflegt werden. „Insgesamt gestalten sich Abläufe transparenter, schneller und in der Verwaltung qualitativ besser“, resümiert der Experte der AOK Rheinland/Hamburg. Auch der Fahrdienst profitiere: Er erhalte für seine Leistungen qualitätsgesicherte Daten, die eine Abrechnung vereinfachten und beschleunigten.

Gesetzliche Anpassungen gilt es zu prüfen

Für die Umsetzung einer bundesweiten E-Verordnung für die Krankenbeförderung müssen laut Impulspapier als Voraussetzung die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen stimmen. Es gelte zu prüfen, ob gesetzliche Anpassungen erforderlich sind. „Es sollten frühzeitig mögliche Anpassungen der G-BA Richtlinie für die Krankenbeförderung und des Bundesmantelvertrages adressiert werden“, empfiehlt das Papier. Eine Arbeitsgruppe der Selbstverwaltung soll zudem zeitnah die Arbeiten an den inhaltlichen und technischen Anforderungen für die Umsetzung des digitalen Prozesses beginnen.

Daneben braucht es einen zentralen Fachdienst, den die Gematik übernehmen soll sowie einheitliche Schnittstellen für Praxen, Kassen und Transportbetriebe. Ein schrittweiser Ausbau könne den Prozess weiter optimieren. So könnten die Krankenkassen ihre Versicherten über digitale Lösungen bei der Auswahl geeigneter Transportmittel unterstützen.

Die Arbeitsgruppe rechnet laut Impulspapier mit einer Umsetzungszeit von etwa drei Jahren, inklusive Test- und Erprobungsphase. Die AOK Rheinland/Hamburg unterstreicht hierzu: Es sei nun wichtig, dass es nach der Veröffentlichung des Impulspapieres weitergehe.

Mitwirkende des Beitrags

Irja Most

Autorin