Wissenschaftler für Reform des Risikostrukturausgleichs
Deutschland ist bei der Lebenserwartung in Westeuropa Schlusslicht: Im deutschen Gesundheitssystem fehle es an Anreizen für Prävention und bessere Versorgung, führen Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) als Erklärung an.
In einem heute veröffentlichten „Policy-Brief“ macht das Mannheimer Institut den Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den Kassen als eine Ursache dafür aus, dass das System vor allem auf kurzfristige Maßnahmen setzt. „Langfristige Investitionen lohnen sich für die Krankenkassen (…) oft nicht“, kritisierte ZEW-Präsident Achim Wambach. Das ZEW schlägt daher vor, den RSA künftig über einen Zeitraum von zehn Jahren zu berechnen.
Über den RSA erhalten die gesetzlichen Kassen jedes Jahr die erwarteten Kosten für ihre Versicherten zugeteilt. Dieses System belohne kurzfristige Einsparungen, monierten die Forscher. Investitionen in Maßnahmen, die Gesundheitskosten über einen längeren Zeitraum als ein Jahr hinaus senkten, brächten finanziell wenig. „Im aktuellen Ausgleichssystem zwischen den Krankenkassen führen Maßnahmen, die die Gesundheit der Versicherten nachhaltig verbessern, potentiell zu weniger Zuweisungen in den Folgejahren“, erläuterte Wambach.
Der RSA wurde 1994 eingeführt, um zu verhindern, dass die Krankenkassen vor allem gesunde, junge Versicherte umwerben, die kaum Kosten verursachen. Über den RSA erhalten Kassen mit Versicherten, die älter und öfter krank sind, mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds, in den die Beiträge der Versicherten zunächst fließen. Diese Methodik decke sich nicht mit der Forderung an die Kassen, mehr Einfluss auf die Art und Qualität der Versorgung zu nehmen, erklärten die ZEW-Wissenschaftler. Ausgaben etwa für Maßnahmen, die langfristig Krankheiten verhinderten oder herauszögerten, seien finanziell nicht attraktiv.
Laut ZEW-Vorschlag soll das Bundesamt für Soziale Sicherung die erwarteten Ausgaben der Versicherten für jedes der folgenden zehn Jahre berechnen. In jedem dieser zehn Jahre erhielten die Kasse den so berechneten jeweiligen Jahresbetrag des Versicherten. Die Kassen hätten dadurch einen Anreiz, sich für die langfristige Gesundheit ihrer Versicherten einzusetzen, betonten die Forscher. Um eine Fehlsteuerung zu vermeiden, könnte ab dem 70. Lebensjahr eines Versicherten die Berechnung von zehn auf fünf Jahre verkürzt werden, ab dem 80. Lebensjahr auf ein Jahr. In einem weiteren Schritt soll den Kassen mehr Freiraum in der Gestaltung ihrer Leistungen eingeräumt werden. (at)
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