Verbände fordern Eingreifen der Politik bei IGeL-Gebaren in Arztpraxen
Krankenkassen, Verbraucherschützer und Patientenverbände fordern von der Politik strengere Vorgaben für Selbstzahler-Leistungen beim Arzt. Die Informationspflichten für sogenannte „Individuelle Gesundheitsleistungen“ (IGeL) müssten „klarer definiert und konkreter geregelt werden“, sagte die Geschäftsführerin Versorgung des AOK-Bundesverbandes, Sabine Richard. Wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) beklagt sie Defizite bei der Aufklärung von Patientinnen und Patienten über den Nutzen und mögliche negative Folgen der Behandlung. Anlass sind jüngste Auswertungen im „IGeL-Monitor“ des Medizinischen Dienst Bund, denen zufolge bei vielen IGeL der Nutzen unklar ist oder sie sogar schädlich sein können.
Es sei bedenklich, dass in Arztpraxen so viele medizinische Leistungen verkauft würden, „die aus guten Gründen nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sind“, sagte Richard dem AOK-Politikportal. Trotz Kritik aus der Ärzteschaft erneuerte sie die Forderung nach einer Extra-Sprechstunde für IGeL. „Die normalen Sprechstunden sollten frei sein von Verkaufsgesprächen, zumal diese missbräuchliche Verwendung der ärztlichen Arbeitszeit auch direkt auf Kosten der GKV und ihrer Versicherten geht.“ Wenn ein Arzt seine Sprechstunde mit fragwürdigen IGeL-Angeboten verbringe, fehle die Zeit für die Untersuchung kranker Menschen.
Auch Gesundheitsexperte Thomas Moormann vom VZBV forderte, den Vertrieb von Selbstzahlerangeboten in Kassensprechstunden zu untersagen. Die Bewertungen des „IGeL-Monitors“ sollten zudem kurzfristig in die elektronische Patientenakte und die Praxissoftware eingebunden werden. Weiter sprach sich Moormann gegenüber G+G für eine Meldepflicht aller IGeL-Verkäufe an die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie für eine Protokollpflicht bei den Verkäufen aus. Es müssten darüber hinaus verpflichtend neutrale, evidenzbasierte Informationen zu den Selbstzahlerleistungen herausgegeben werden. „Einen Markt von geschätzt 2,4 Milliarden Euro pro Jahr kann es nur geben, wenn Arztpraxen ihrer Aufklärungspflicht nicht nachkommen“, sagte Moormann.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU): „Was für Haustürgeschäfte gilt, hat auch für IGeL zu gelten: Zwischen dem ärztlichen Angebot und der Leistung braucht es eine Bedenkzeit von 14 Tagen.“ Werde die Frist nicht eingehalten, könne der Patient die Zahlung verweigern, sagte er G+G. Das bisherige Geschäftsmodell setze viel zu oft auf Überrumpelung. Diese Einschätzung vertritt auch AOK-Expertin Richard. Eine IGeL-Sondersprechstunde hätte aus ihrer Sicht den Vorteil, dass die Patienten nach dem ersten Kontakt und der Information wiederkommen müssten, um die Leistung zu erhalten. Damit hätten sie dann auf jeden Fall Bedenkzeit. (sev)
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