Fachärzte verschärfen Ton beim Primärarztmodell
Der Streit um die Ausgestaltung des geplanten Primärarztmodells spitzt sich zu. Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa) nannte den Vorschlag heute „fatal“ und „ungeeignet“. „Niemand braucht in unserem Gesundheitssystem Hausärzte als Türsteher für den Zugang zu Prävention, Vorsorge, notwendiger Diagnostik und Behandlung“, sagte Spifa-Chef Dirk Heinrich.
Unnötige Arzt-Patienten-Kontakte sollten vermieden werden. Patienten müssten auf Anhieb die medizinische Versorgung bekommen, die sie benötigten, so Heinrich weiter. Angesichts langer Wartezeiten auf Facharzttermine hatte sich die schwarz-rote Koalition auf die Einführung eines Primärarztsystems zur besseren Steuerung von Patienten geeinigt.
Bereits auf dem Deutschen Ärztetag Ende Mai hatte das Thema für heftige Kontroversen gesorgt. Das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mehrheitlich favorisierte Modell sieht vor, dass neben Allgemeinmedizinern und Internisten auch Kinder- und Jugendärzte sowie Frauenärzte künftig als erste Anlaufstelle für Patienten dienen sollen. Angesichts der Mangelsituation sei es nicht sinnvoll, Patienten nur zur Ausstellung einer Überweisung in die Hausarzt-Praxen zu lotsen, begründete dies KBV-Chef Andreas Gassen. Der Hausärzteverband kritisierte das KBV-Konzept als „Steuerung light“ und warnte, das Primärarztsystem dürfe keine „Überweisungsmaschine“ sein.
Ein „verpflichtendes hausärztliches Gatekeeping“ bei allen Patienten sei mit der Fachärzteschaft nicht zu machen, entgegnete heute der Spifa. „Patienten mit gebrochenen und verstauchten Armen und Beinen haben weder etwas in der Hausarztpraxis noch in den Notaufnahmen zu suchen.“ Das Modell erzeuge kostenträchtige und unnötige Arzt-Patienten-Kontakte. Ziel der Reform müsse eine strukturierte und bessere Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten sein.
Der AOK-Bundesverband sprach sich für eine umfassendere Blickweise aus. Die Diskussion um die Einführung einer Primärversorgung dürfe nicht auf ein Primärarztmodell verengt werden, sagte Verbandssprecher Kai Behrens zu G+G. „Unsere Gesundheitsversorgung muss künftig breiter aufgestellt werden. Wir müssen wegkommen von der starren Arztzentrierung, hin zu mehr Arztentlastung, Teamorientierung und Arbeitsteilung.“ Die Ressource Arzt sollte sorgsamer und patientengerechter eingesetzt werden.
Bei der Bevölkerung scheint die Einführung eines Primärversorgungssystems auf viel Sympathie zu stoßen. Einer Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes zufolge würden 68 Prozent der Bürger angesichts der momentan langen Wartezeiten die freie Facharztwahl gegen einen schnelleren Termin beim Facharzt tauschen. (at)
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