Ende der Sozialstaat-Debatte noch nicht in Sicht
In der Diskussion um den Sozialstaat in Deutschland sind nach Einschätzung führender Politiker noch nicht alle Argumente ausreichend ausgetauscht worden. Zwar erteilte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Steuererhöhungen am Sonntag im „Sommerinterview“ des ZDF eine Absage, doch sehen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf noch Klärungsbedarf.
Einig sei man sich darin, dass „Reformbedarf im Sozialversicherungssystem“ bestehe. Allerdings zahlten „zu wenige ins System“ ein, sagte Klüssendorf heute Morgen im ZDF. Der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV), Oliver Blatt, mahnte derweil „spürbare Verbesserungen“ an. „Der erste Schritt wäre, dass überhaupt was passiert“, sagte er dem „Tagesspiegel Background“.
Union und SPD hätten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Steuern nicht erhöht würden, betonte der Kanzler und CDU-Vorsitzende Merz. „Dieser Koalitionsvertrag gilt.“ Dass die SPD in dieser Frage andere Vorstellungen habe, sei „in Ordnung“. „Wir suchen nicht das, was uns trennt. Wir suchen das, was uns gemeinsam verantwortungsvoll regieren lässt.“
Klingbeil jedoch schließt angesichts der 2027 drohenden Miliardenlücke im Bundeshaushalt Steuererhöhungen für bestimmte Gruppen nicht aus. Im „Bericht aus Berlin“ sagte er. Er sei gespannt auf Ideen, die durch verschiedene Projekte noch einmal gewachsene Haushaltslücke zu schließen. Er warnte, hier vor allem auf Kürzungen bei sozialstaatlichen Leistungen zu setzen. Nach Worten Klüssendorfs sollte darüber gesprochen werden, „ob die Verantwortlichkeit momentan gerecht aufgeteilt“ ist. Er verwies auf die Erbschaftssteuer, bei der es nicht um eine Erhöhung, sondern um das Stopfen von Schlupflöchern gehe. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mahnte, ebenfalls heute im ZDF, zur Finanzierung des Sozialstaates unter anderem Bürgergeld-Reformen an.
GKV-SV-Chef Blatt verlieh im Interview mit dem „Tagesspiegel“ seiner Verwunderung „über die Langatmigkeit der Politik“ Ausdruck. Es gebe viele Brennpunkte, „aber mittlerweile sollte doch erkannt worden sein, dass das Thema Gesundheit und die Finanzierung der GKV im Fokus stehen müssen“, sagte er. Es brauche „Reformen, bei denen die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass das System besser wird“. Forderungen nach Leistungskürzungen erteilte Blatt eine Absage: „Leistungskürzungen sollten nicht der erste Reflex in der Gesundheitsdebatte sein. Und sie sind aus heutiger Sicht auch nicht notwendig. Viel wichtiger ist es, die vorhandenen Mittel, aktuell rund 320 Milliarden Euro, sinnvoller und gezielter einzusetzen.“ (ter)
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