Pharmadialog: Ministerin Warken setzt auf Interessenausgleich
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken sieht den Pharmastandort Deutschland „unter starkem Druck“. Gründe seien die US-Politik und die Konkurrenz aus China, sagte die CDU-Politikerin dem Tagesspiegel Background. Der grundsätzliche Zugang gesetzlich Versicherter zu innovativen und individualisierten Therapien sei „ein großer Vorteil unseres Systems, aber auch ein großer Kostenfaktor“, unterstrich die Ministerin vor dem Pharmadialog am Mittwoch im Kanzleramt. „Diese Themen müssen ganzheitlich angegangen werden.“ Pharma Deutschland und der Verband forschender Pharmaunternehmen VFA fordern eine weniger aufwendige Nutzenbewertung neuer Arzneien. Die AOK sieht die „blendend verdienende Pharmabranche“ in der Verantwortung, ihren Beitrag zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu leisten.
Die Nutzenbewertung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (Amnog) sei „mit hohem administrativem Aufwand und erheblichen Kosten verbunden“, heißt es in einem Papier von Pharma Deutschland. Das belaste vor allem kleine und mittlere Firmen. Das Verfahren gerate zunehmend „an seine systemischen Grenzen“. Der Verband fordert unter anderem eine höhere Freistellungsgrenze von fünf Millionen Euro. Bisher sind Medikamente bis zu einem erwarteten Jahresumsatz von einer Million Euro von der Nutzenbewertung befreit.
Der VFA präsentierte heute einen „Drei-Punkte-Plan für die bessere Versorgung“ mit Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen, sogenannten Orphan Drugs. Neben „standardisierten Prozessen“ bei Diagnostik und Kostenerstattung sowie Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern fordert der VFA ein „Amnog-Verfahren, das die Besonderheiten von Therapien auch bei seltenen Erkrankungen umfassend berücksichtigt“. Die aktuelle Regelung, wonach Orphan Drugs zunächst ein Zusatznutzen ohne Nachweis unterstellt wird, dürfe nicht in Frage gestellt und müsse modernisiert werden.
Ministerin Warken zeigte sich zurückhaltend, der Pharmabranche neue Sparmaßnahmen aufzudrücken. „In dieser Situation dürfen wir nicht eine innovative Wachstumsindustrie zusätzlich schwächen“, sagte sie. Der AOK-Bundesverband warnte hingegen davor, die Pharmabranche aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung „von allen Effizienzanstrengungen im deutschen Gesundheitswesen per se“ auszunehmen. „Allein die kurzfristige Anhebung des Herstellerrabatts von heute neun auf 16 Prozent könnte die Branche gut verschmerzen“, sagte Verbandschefin Carola Reimann. Sie bezeichnete die Maßnahme als „ausgewogen und hocheffektiv“ und bezifferte die Entlastung der GKV auf 1,8 Milliarden. „Die Bundesregierung muss deshalb beim Pharmadialog die Arzneimittelpreise in der GKV mit auf die Agenda nehmen“, forderte Reimann.
Der Pharmadialog wurde 2014 vom Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit dem Finanz- und dem Wirtschaftsressort ins Leben gerufen. Union und SPD hatten vereinbart, den Dialog wiederzubeleben. Eingebunden waren zuletzt Pharma-Biotech-Verbände, die Wissenschaft, aus der Chemieindustrie die Gewerkschaft IG BCE sowie Vertreter der Regierungsfraktionen und der Länder. (rbr)
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