Experten fordern „politischen Mut“ gegen Mangelernährung
Mehr als 50.000 Todesfälle in deutschen Kliniken könnten bei einem strukturierten Vorgehen gegen Mangelernährung jährlich vermieden werden. Doch bisher fehle der „politische Mut“, das dafür erforderliche Ernährungsmanagement gesetzlich zu verankern, kritisierte Matthias Pirlich, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), heute anlässlich der Malnutrition Awareness Week 2025. Doch nicht nur Klinikpatienten sind von Mangelernährung betroffen, sondern auch für die wachsende Anzahl an Adipositas und Diabetes Typ 2 erkrankter Kinder müsse die Politik bessere Rahmenbedingungen schaffen, forderte Julia Szendrödi, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Mangelernährung entsteht durch eine unzureichende oder gestörte Aufnahme von Energie beziehungsweise Nährstoffen. Die krankheitsbedingte Fehlversorgung sei inzwischen „eine stille Volkskrankheit“, warnte Ernährungsmediziner Pirlich vor dem häufig übersehenen, lebensbedrohlichen Problem. In Deutschland sind laut DGEM 20 bis 30 Prozent der Klinikpatientinnen und -patienten betroffen. Aktuelle Studien zeigten, dass ein strukturiertes Ernährungsmanagement die Kliniksterblichkeit um 27 Prozent senken könne. Würden alle Krankenhäuser Patientinnen und Patienten systematisch auf Mangelernährung screenen und ernährungstherapeutisch behandeln, könnten im gesamten Gesundheitswesen sieben bis neun Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden. Denn das senke die Infektionsrate und verringere den Drehtüreffekt.
Die DGEM pocht daher darauf, die Ernährungstherapie als verpflichtendes Strukturmerkmal in der Krankenhausreform zu verankern und die Finanzierung ernährungsmedizinischer Leistungen im ambulanten Bereich sicherzustellen. „Es ist paradox, dass wir wissen, wie wir Leben retten können, aber die Strukturen fehlen“, so Pirlich. „Ernährungsmedizinische Versorgung muss flächendeckend verfügbar und qualitätsgesichert sein.“ Mit „E-Zert“ und „nutriZert“ gebe es zwei Instrumente, die Orientierung bei der Wahl einer Ernährungsberatung bieten sollen, ergänzte DGEM-Präsident Gert Bischoff. Er unterstrich den Kooperationswillen der Krankenkassen. So ist etwa die AOK Bayern Vorreiterin mit dem Abschluss eines der ersten Qualitätsverträge mit dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München. Doch die Kassen bräuchten gesetzliche Grundlagen für die Vergütung, so Bischoff.
Auch beim Schutz von Kindern vor Mangelernährung sieht die DDG die Politik in der Pflicht. Bei Kindern schlage sich die nicht ausreichende Versorgung in einer Entwicklungsstörung nieder, so Szendrödi. Derzeit seien etwa 1.000 Kinder mit Diabetes Typ 2 bekannt, die Dunkelziffer sei aber sehr hoch. In anderen Ländern habe sich gezeigt, dass Herstellerabgaben, Werbeverbote und Bewegungsförderung Mangelernährung reduzierten. (imo)
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