BMG peilt „Rebalancing“ zwischen Patentarzneien und Generika an
Nach den heftigen Engpässen vor allem bei Kinderarzneien im vergangenen Winter arbeiten viele Generika-Hersteller seit Wochen am Anschlag. Dennoch dämpften Experten heute bei einer Fachdiskussion von Pro Generika Hoffnungen, dass die Probleme kurzfristig verschwänden. „Ich sehe im Moment kein Licht am Ende des Tunnels“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach. Zwar sehe er bei Fieber- und Schmerzsäften Entspannung, aber bei Antibiotika etwa gebe es immer wieder Lücken. Der weitere Verlauf hänge von der Infektwelle ab.
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sind aktuell rund 500 Mittel nicht lieferbar, darunter bestimmte Antibiotika, Blutdrucksenker oder Schmerzmittel. Fischbach sieht die Politik in der Pflicht. Diese habe für die Daseinsvorsorge zu sorgen. „Ich erwarte, dass der Staat das löst.“ Er nahm aber Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Schutz. Die Versäumnisse reichten weiter zurück. Josip Mestrovic, Vorstandsmitglied von Pro Generika, mahnte eine Gesamtstrategie an. Die bisherigen Gesetze seien zu kurz gesprungen. Die Firmen könnten nicht dauerhaft ihre „Maschinen hochjubeln“.
Thomas Müller, Leiter der Arzneimittelabteilung im Bundesgesundheitsministerium (BMG), versicherte, die Politik habe die Probleme weiter auf dem Schirm. Allerdings ließen sich strukturelle Probleme nicht über Nacht „wegzaubern“. Konkret sprach er ein „Rebalancing“ zwischen Patentmitteln und Generika an. Die Kosten für patentgeschützte Arzneien seien in den vergangenen zehn, 20 Jahren stark gestiegen, dagegen habe bei Generika ein starker Preisdruck geherrscht. Das BMG habe daher eine „Regel zu Leitplanken gemacht“, um die Preisdynamik bei Patentmitteln wieder „etwas einzufangen“. Auch andere EU-Länder dächten über solche Schritte nach.
Ähnlich äußerte sich auch Susanne Dolfen, Arzneimittelexpertin der AOK Sachsen-Anhalt. Nach einer aktuellen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) fließt bereits jeder zweite Euro der Arzneiausgaben in patentgeschützte Mittel. Zugleich decken diese aber, gemessen in Tagesdosen, nur 6,8 Prozent der Versorgung ab. 2013 waren es noch 12,2 Prozent. Damit werde „immer mehr Geld für weniger Versorgung“ ausgegeben, so das WIdO. Dolfen machte sich für eine europäische Lösung stark. Deutschland sei nur ein „kleines Puzzlestück“ auf dem globalen Markt. Zudem kämpften auch andere Länder mit Arzneiengpässen. Elisabeth Stampa, Präsidentin von „Medicines for Europe“, lobte, Deutschland sei eines der wenigen EU-Länder, die überhaupt etwas täten. (cm)
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