Lauterbach vertagt Pflegereform – „explosionsartiger“ Anstieg von Hilfebedürftigen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich alarmiert über einen „explosionsartigen“ Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen geäußert. „Demografisch bedingt wäre 2023 nur mit einem Zuwachs von rund 50.000 Personen zu rechnen gewesen. Doch tatsächlich beträgt das Plus über 360.000“, sagte er heute dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND). „Woran das liegt, verstehen wir noch nicht genau.“ Es brauche eine Finanzreform der Pflegeversicherung. In dieser Legislaturperiode sieht der SPD-Politiker dafür aber kaum mehr eine Chance. Dazu seien die Positionen in der Ampel zu unterschiedlich und die Zeit bis zur Bundestagswahl sei zu knapp. Die Union sprach von einer „Bankrotterklärung“ der Regierung in der Pflegepolitik.
Die Pflegekassen warnen bereits seit langem vor wachsenden Finanznöten und drängen auf Reformen. Im Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (Pueg) von 2023 war das Bundesgesundheitsministerium (BMG) 2023 angehalten worden, bis 31. Mai 2024 Vorschläge für eine nachhaltige Pflegereform vorzulegen. Beteiligt sind das Finanz-, Wirtschafts-, Sozial- und Familienministerium. Lauterbach räumte im RND ein, dass sich die Ampel nicht auf ein konkretes Reformkonzept einigen konnte. „Aber es gab eine sehr gute gemeinsame Problemanalyse. Wir werden die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten neutral und fair nebeneinanderstellen“, meinte er.
Diese Übersicht biete eine gute Basis für eine Reform nach der Wahl: „In der nächsten Legislaturperiode müssen wir das angehen.“ Neben höheren Steuerzuschüssen brachte er eine Pflege-Bürgerversicherung ins Spiel. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, warf der Ampel ein „Scheitern mit Ansage“ vor. Sie gebe damit ihr Unvermögen zu, Lösungen zu finden. Für Millionen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sei der Reform-Stillstand in der Pflege „jedenfalls eine ganz schlechte Nachricht“.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sprach von einer „Kapitulation Lauterbachs“. „Die Bundesregierung kann angesichts der drängenden Probleme in der Pflege nicht noch länger warten. Eine Struktur- und Finanzreform der Pflegeversicherung ist längst überfällig“, so die CSU-Politikerin. Die Pflegekassen weisen bereits seit geraumer Zeit auf die wachsende Finanz-Schieflage hin. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) befürchtet sogar eine „Notlage“. „Die Zeit drängt, wir stehen schon für die Jahre 2025 und 2026 vor großen Problemen“, erklärte GKV-SV-Vizevorstand Gernot Kiefer im Februar. (cm)