Lauterbach befürchtet wachsende Krankheitslast durch Corona
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befürchtet eine wachsende Krankheitslast durch die Spätfolgen von Corona. „In ganz Europa beobachten wir derzeit eine erhöhte Inzidenz, ein erhöhtes Neuauftreten von kardiovaskulären Erkrankungen in der mittleren Altersgruppe von 25 bis 50 Jahre“, sagte er heute nach Gesprächen mit Forschern. „Wir finden bei älteren Menschen sehr häufig darüber hinaus auch kognitive Einschränkungen.“ Es verwies auf die Spanische Grippe. Damals sei 20 Jahre später eine deutliche Häufung beispielsweise von Parkinson aufgetreten.
Der SPD-Politiker warnte davor, Corona zu unterschätzen. „Die Corona-Infektion ist keine Erkältungserkrankung.“ Corona könne das Gefäßsystem und das Gehirngewebe treffen sowie das Risiko von Autoimmunleiden erhöhen. Er rief Risikogruppen wie Schwangere, Vorerkrankte und Ältere zur Booster-Impfung auf. Es sei „sehr enttäuschend“, dass bisher nur drei Millionen Menschen den neuen Booster genutzt hätten. Die Impfung senke sowohl das Risiko schwerer Verläufe als auch das von Long Covid (LC). Dennoch bleibe LC ein Problem. „Wir sehen eine zunehmende Zahl von Fällen.“ Immer noch erkrankten laut Schätzungen drei Prozent nach einer Infektion an LC.
Der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, verwies auf das derzeit wieder recht hohe Infektionsrisiko. 7,4 Millionen Bürger litten aktuell an einem Atemwegsinfekt, die meisten davon an Corona oder Rhinoviren. Hinweise auf eine beginnende Grippewelle gebe es hingegen nicht, stellte Schaade klar. Auch er empfahl dringend eine Boosterimpfung. Die Zahl der Klinikpatienten liege zwar unter dem Niveau der ersten Pandemiejahre, steige aber wieder an. Lauterbach ergänzte, momentan sei der „optimale Zeitpunkt“ für eine Impfung, um den vollen Schutz für die Feiertage zu haben.
Der SPD-Politiker will auch die Versorgung von LC- und ME/CFS-Betroffenen verbessern. „Long Covid ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht heilbar“, so Lauterbach. Beim zweiten Runden Tisch zu LC tauschte er sich mit Wissenschaftlern und Betroffenen unter anderem über angepasste Reha-Konzepte und den Off-Label-Use von Medikamenten aus. Derzeit arbeite eine Arbeitsgruppe am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an einer Liste für solche Off-Label-Mittel. Die Expertin für LC- und Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS), Carmen Scheibenbogen , beklagte die weiter desolate Versorgungslage vieler Betroffener. Es brauche wohnort- und zeitnahe Konzepte. Lauterbach verwies auf die avisierten 150 Millionen Euro für die Versorgungsforschung. (cm)