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Hausärztemangel: Der Westen holt den Osten ein

02.10.2025 2:30 Min. Lesedauer

Das West-Ost-Gefälle in der hausärztlichen Versorgung wandelt sich zunehmend zum gesamtdeutschen Stadt-Land-Kontrast. Nach einer heute veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung wird die Situation in Westdeutschland bis zum Jahr 2040 „ähnlich angespannt sein, wie heute bereits in den östlichen Bundesländern“. Um das altersbedingte Ausscheiden vieler Hausärzte und den „steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen“ auszugleichen, setzen die Autoren auf „Gesundheitszentren mit Leistungen verschiedener Anbieter unter einem Dach“, bessere Digitalisierung der Praxisabläufe und mehr Arbeitsteilung zwischen Hausärzten und anderen Gesundheits- und Pflegeberufen.

Ohne Gegensteuern drohen laut Projektion vor allem ländliche Regionen in Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Baden-Württemberg und Niedersachsen, aber auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern rein statistisch in die Unterversorgung abzurutschen. In Ostdeutschland wäre vor allem Brandenburg betroffen. Für Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern prognostiziert die Studie dagegen geringere Verschlechterungen gegenüber der aktuellen Lage. In Thüringen bliebe es fast unverändert bei nahezu flächendeckenden Versorgungsgraden von mehr als 100 Prozent.

„Um bundesweit eine hausärztliche Versorgung auf vergleichbar hohem Niveau zu gewährleisten, müssten jährlich rund 160 Hausärztinnen und -ärzte, und damit zehn Prozent des Nachwuchses, gezielt für künftig schlechter versorgte Regionen gewonnen werden“, heißt es in der Studie. „Es herrscht Handlungsbedarf“, sagte Barmer-Vorstandschef Christoph Straub. „Eine begrenzte, zielgerichtete Tätigkeit eines Teils der künftigen Medizinerinnen und Mediziner in bestimmten Regionen würde dazu beitragen, eine Unterversorgung effektiv zu verhindern.“

Die aktuelle Analyse basiert auch auf bereits im Juni vorab veröffentlichten Ergebnissen einer Befragung von 3.700 Hausärztinnen und Hausärzten. Dabei gab ein Viertel von ihnen an, „innerhalb der nächsten fünf Jahre“ den Beruf aufgeben zu wollen. Neben hoher Arbeitsbelastung und Bürokratie nannten 67 Prozent als Grund Probleme mit der Praxissoftware. 72 Prozent versprachen sich Entlastung durch Aufgabenübertragung auf andere Berufsgruppen.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hatte sich der AOK-Bundesverband im Sommer für ein „teambasiertes Primärversorgungssystem“ ausgesprochen. Auch der Grünen-Gesundheitspolitiker Armin Grau plädierte heute in der  „Ärzte-Zeitung“ für eine Primärversorgung mit „multidisziplinären Teams“ aus Ärzten, medizinischen Fachangestellten und anderen Gesundheitsberufen aus. Das von der Bundesregierung geplante Primärarztsystem belaste gerade die Hausärzte zusätzlich. (toro)