Hausärzte verteidigen telefonische Krankmeldung
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) hat Forderungen nach einer Abschaffung der Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit via Telefon (Tel-AU) eine Absage erteilt. Die Einführung sei „aus medizinischer Sicht sinnvoll“ gewesen und „bisher eine der ganz wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung des Gesundheitswesens“, sagte die Bundesvorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth der „Rheinischen Post“ (RP) von heute. „Sie jetzt abzuschaffen, wäre schlichtweg absurd." Missbrauch der Tel-AU könne ihr Verband nicht bestätigen. Eine heute veröffentlichte Analyse des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sieht ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür.
Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, sprach sich dagegen in der RP dafür aus, „zum bewährten Verfahren“ zurückzukehren. Er bezog sich auf hohe Krankenstände. Rund 77 Milliarden Euro hätten Arbeitgeber 2023 für die Entgeltfortzahlung aufgewendet. „Ungerechtfertigte Praktiken digitaler Geschäftemacher“ ließen „Missbrauch wahrscheinlich erscheinen“. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte Anfang September einen Zusammenhang zwischen Tel-AU und hohen Krankenständen hergestellt.
Diese Einschätzungen teilt das Mannheimer ZEW nicht. Die Datenlage von 2020 bis 2023 spreche „gegen die telefonische Krankschreibung als treibende Kraft des jüngsten Anstiegs“, heißt es im aktuellen ZEW „policy brief“. Andernfalls „würde man einen Anstieg der Fehltage seit 2020 erwarten, kombiniert mit einem Rückgang der Fehlzeiten im Jahr 2023 aufgrund des zeitweisen Auslaufens der Regelung“. Vielmehr „ist davon auszugehen, dass der Großteil des Anstiegs auf eine bessere statistische Datenerfassung zurückzuführen ist“. Die Tel-AU wurde für leichte Atemwegserkrankungen und bei Verdacht auf Covid-19 Anfang März 2020 eingeführt, dann mehrmals bis Ende März 2023 verlängert und zwischenzeitlich ausgesetzt. Erst seit Dezember 2023 gilt die dauerhafte Regelung.
Ähnlich wie das ZEW hatte sich das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) in Zusammenhang mit dem Fehlzeiten-Report 2024 bereits Anfang des Monats geäußert. Erfahrungen aus der Pandemie hätten gezeigt, dass die Tel-AU verantwortungsvoll genutzt worden sei. „Niemand meldet sich grundlos krank“, unterstrich die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, zuletzt im Interview mit dem „Handelsblatt“. Die AU sei auch nicht „leicht“ zu bekommen. Die Patienten müssten dem Arzt bekannt sein. (rbr)