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Studie warnt vor „strategischen Abhängigkeiten“ von China bei Medikamenten

20.10.2025 2:30 Min. Lesedauer

Wie abhängig Europa von chinesischen Wirkstofflieferungen ist, zeigt eine neue Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Branchenverbands Pro Generika. Demnach wäre die Arzneimittelversorgung in Deutschland bei mehr als einem Drittel von 56 untersuchten Wirkstoffen gefährdet, wenn China als Lieferant langfristig ausfiele. Bei 20 dieser Wirkstoffe sei der Anteil chinesischer Hersteller so groß, dass ein Exportstopp gravierende Folgen hätte.

Besonders betroffen wären nach Erkenntnissen der Studienautoren Antibiotika sowie Diabetes- beziehungsweise Schmerzmittel. Beim Antibiotika-Arzneistoff Chloramphenicol etwa liege der Importanteil Chinas bei 99 Prozent. Zudem kommen laut Analyse 63 Prozent des importierten Wirkstoffs Pseudoephedrin aus China. Beim Antidiabetikum Metformin kämen fünf der sechs größten Hersteller des für die Produktion nötigen Vorprodukts Dicyandiamid aus China.

Die Studie zeigt zudem, dass Chinas Dominanz in der Generika-Produktion, deren Wirkstoffe inzwischen nach Zahlen von Pro Generika zu 54 Prozent in China produziert werden, kein Zufall ist. Sie sei Ergebnis einer gezielten Industriepolitik. In internen Debatten werde offen diskutiert, wirtschaftliche Abhängigkeiten als geopolitisches Druckmittel nutzen zu können. Ähnliche Strategien habe China bereits bei Exportbeschränkungen für seltene Erden angewandt. Europas jahrelange Sparpolitik bei Generika habe den Trend zusätzlich verstärkt: Viele Produktionsstätten seien aus Kostengründen nach Asien verlagert worden.

Die Zahl der Produktionsstandorte für Penicillin zum Beispiel sei in Deutschland 2024 auf sechs von 21 im Jahr 2002 zurückgegangen. In der Biosimilarproduktion habe Europa allerdings noch eine starke Position. Rund 51 Prozent der Biosimilars werden laut Studie derzeit in europäischen Ländern hergestellt. Doch China investiere „massiv“ in den Ausbau seiner Kapazitäten. Bis 2035 will das Land auch bei Biopharmazeutika Marktführer werden. Ein weiterer Preisdruck auf dem europäischen Markt, so die Studie, könnte die Innovations- und Produktionsbasis in Deutschland zusätzlich gefährden.

Die ehemalige Ampel-Regierung hatte 2023 mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) versucht, auf diese Entwicklung zu reagieren. So soll etwa die europäische Produktion von Antibiotika dadurch gestärkt werden, dass Krankenkassen Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum bei Ausschreibungen von Verträgen zusätzlich berücksichtigen müssen. Aktuell verzeichnet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in seiner Datenbank Lieferengpassmeldungen zu 551 Arzneimitteln. Damit bewegen sich die Zahlen auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahreszeitraum. (tie)