Arznei-Geheimpreise: Experten befürchten Kostenlawine
Der Protest gegen die von der Ampel geplanten Geheimpreise für neue Arzneien weitet sich aus. Zur Anhörung zum Medizinforschungsgesetz heute Nachmittag im Gesundheitsausschuss des Bundestags forderten beteiligte Verbände und Akteure fast unisono, die Pläne zu kippen oder abzuändern. Die Krankenkassen warnen in ihren Stellungnahmen vor einer Kostenlawine. Applaus kommt hingegen von der Pharmaindustrie. Dem Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) geht die Geheimhaltung aber nicht weit genug. Er verlangt, ausgehandelte Preise als „Geschäfts- und Betriebsgeheimnis“ einzustufen und den Kreis der Auskunftsberechtigten gesetzlich zu regeln, um „inoffizielle Preislisten“ zu verhindern. Zweifel gibt es auch an der Unabhängigkeit der geplanten zusätzlichen Ethikkommission.
Nach gesetzlichen Krankenkassen, privaten Krankenversicherern, Ärzten und dem Gemeinsamen Bundesausschuss äußerten sich auch Pharma-Großhändler, Importeure, BAG Selbsthilfe, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie das Netzwerk evidenzbasierte Medizin (EbM-Netzwerk) kritisch zu den Geheimpreisen. Schon im ersten Jahr drohten Mehrkosten von bis zu 3,3 Milliarden Euro, nach zehn Jahren von bis zu 33 Milliarden Euro, warnte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Das Geld fehle dann für die Versorgung Kranker. „Profiteure sind die Pharmaunternehmen.“
Das EbM-Netzwerk warf den Pharmakonzernen vor, global zunehmende Preis-Intransparenz anzustreben. Auch die Arzneimittel-Importeure befürchten eine europaweite Preisspirale. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) warnte ebenfalls vor Mehrkosten. Im deutschen Gesundheitswesen gebe es „kein Zuviel an Transparenz, sondern eher ein Zuwenig“, monierte die BAG Selbsthilfe. Dagegen erhofft sich der vfa „mehr Flexibilität“ bei den Preisen „in Einzelfällen“. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) und Pharma Deutschland forderten, insgesamt die Preisregeln bei Arzneien zu lockern.
Auch die geplante „spezialisierte Ethikkommission“, vormals Bundesethikkommission genannt, beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stößt auf Bedenken. Diese soll für bestimmte Arznei- und Medizinproduktestudien zuständig sein. Das IQWiG sieht allerdings deren Unabhängigkeit und Transparenz nicht gewährleistet. Die Bundesärztekammer forderte, eine solche Kommission unabhängig vom Bundesgesundheitsministerium und dem BfArM einzurichten. Die BAG Selbsthilfe befürchtet, dass zumindest anfänglich „eine Verkomplizierung der vorhandenen Verfahren stattfindet“.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) vermisst eine politische Gesamtstrategie für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland. Dazu gehöre etwa auch ein Tierversuchsgesetz. (cm)
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