Interview Prävention

HPV-Impfung: „Wir brauchen ein umfassendes Gesamtkonzept"

01.02.2024 Tina Stähler 5 Min. Lesedauer

Obwohl die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) wirksam vor Gebärmutterhalskrebs, Krebs im Mund- und Rachenraum und im Genitalbereich schützt und von der Ständigen Impfkommission empfohlen wird, ist die Impfquote vergleichsweise gering. G+G hat mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum gesprochen, ob ein freiwilliges Impfangebot an Schulen dies ändern könnte.

Foto: Auf einer Petrischale liegen zwei Spritzen mit der Aufschrift HPV.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die HPV-Impfung für Mädchen und Jungen von neun bis 14 Jahren. Auch in einem späteren Alter kann die Impfung sinnvoll sein.
Foto: Porträt von Dr. Nobila Ouédraogo, Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum
Dr. Nobila Ouédraogo ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum.

Nur 54 Prozent der 15-jährigen Mädchen und 27 Prozent der gleichaltrigen Jungen sind in Deutschland vollständig gegen HPV geimpft. Warum ist das so?

Nobila Ouédraogo:
Das aktuelle Angebot der HPV-Impfung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte erreicht Mädchen und Jungen im HPV-impffähigen Alter (von neun bis 14 Jahren) nur unzureichend, weil Jugendliche – im Gegensatz zu Kleinkindern – seltener Arztpraxen aufsuchen.  Zudem ist das allgemeine Wissen über HP-Viren und die Impfung in der deutschen Bevölkerung gering. Weitere Faktoren, beispielsweise das Fehlen eines Einladungs- und Erinnerungssystems für Impfungen in Deutschland, spielen ebenfalls eine Rolle. Zielgruppenspezifische Aufklärungskampagnen, ein flächendeckendes Erinnerungssystem und das Angebot einer freiwilligen Schulimpfung könnten daher dazu beitragen, die Impfraten zu erhöhen.
 
Wie lassen sich Menschen – Eltern und Jugendliche – zur HPV-Impfung motivieren?

Ouédraogo: Eltern und Jugendliche können durch Aufklärung in Verbindung mit einem niederschwelligen Impfangebot, zum Beispiel in Schulen, zur HPV-Impfung motiviert werden. Aufklärung über die HPV und über die Impfung ist eine gute Maßnahme, aber das Wissen um die Vorteile einer Impfung alleine reicht nicht aus, damit Menschen sich tatsächlich impfen lassen. Die Aufklärung muss durch weitere Maßnahmen wie Erinnerungssystem sowie das Angebot einer freiwilligen HPV-Impfung in Schulen ergänzt werden.

HPV-Impfung in Deutschland

  • Humane Papillomviren (HPV) werden über den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch, vor allem beim Vaginal-, Anal- und Oralverkehr übertragen.
  • HPV-Infektionen treten weltweit auf und gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. In Deutschland gibt es keine Meldepflicht und somit auch keine regelmäßig erhobenen Daten zur Häufigkeit.
  • Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich mindestens einmal im Leben mit HPV. Unterschieden wird zwischen Hochrisiko-Typen, die zu Krebs führen können, und Niedrigrisiko-Typen, die unter anderem für Genitalwarzen verantwortlich sind.
  • Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die HPV-Impfung für Mädchen und Jungen von neun bis 14 Jahren. Auch in einem späteren Alter kann die Impfung sinnvoll sein. Für einen bestmöglichen Schutz sollte sie vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein.
  • Laut Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 6.250 Frauen und circa 1.600 Männer an Karzinomen, die durch HPV-Infektionen bedingt sind.

Daten: Robert-Koch-Institut

Wie kommt es, dass Länder wie Australien und England Vorreiter bei den HPV-Impfungen sind? Liegt das nur an den dortigen Schulkampagnen?

Ouédraogo:
Das Angebot der HPV-Impfung in Schulen ist durchaus eine wesentliche Grundlage für den Erfolg der hohen Impfquoten in Australien und England. Der Erfolg ist darauf zurückzuführen, dass die Schulimpfung in diesen Ländern gesellschaftlich gut akzeptiert und unterstützt wird und die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen im HPV-Impfalter die Schule besucht. Außerdem arbeiten Bildungs- und Gesundheitssektor im Rahmen des Programms eng zusammen.
 
Welche Rahmenbedingungen und Vorschriften gilt es bei der Impfung in Schulen zu beachten? Wer muss sein Einverständnis erteilen?

Ouédraogo: Zu den Rahmenbedingungen gehören die Integration des Konzepts in den Schulalltag, die Bereitschaft der Schulleitung und der Lehrkräfte, das Programm zu unterstützen, und die Einbeziehung des öffentlichen Gesundheitsdienstes beziehungsweise der Ärzte. Wir brauchen ein umfassendes Gesamtkonzept, das an das deutsche Schul- und Gesundheitssystem angepasst ist. Da in Deutschland keine Impfpflicht besteht, ist beim Angebot der HPV-Impfung in Schulen auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Impfung zu achten. Die Einwilligung zur Impfung erfolgt durch die Eltern des Impflings und muss vor der Impfung in der Schule vorliegen.

Mit deutlich mehr Impfungen will die Europäische Kommission vermeidbare Krebserkrankungen innerhalb Europas eindämmen. Im Fokus einer heute vorgelegten Empfehlung zur Krebsbekämpfung an die EU-Mitgliedstaaten stehen dabei Humane Papillomaviren (HPV) und Hepatitis-B-Viren (HBV). Auch das Monitoring der Deckungsraten für Impfungen soll verbessert…
31.01.20242 Min

Umfrage zur HPV-Impfung an Schulen

Anlässlich einer Anhörung am 17. Januar 2024 im Düsseldorfer Landtag zur Einführung freiwilliger HPV-Impfungen an Schulen in Nordrhein-Westfalen hat das Deutsche Krebsforschungszentraum (DKFZ) Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage veröffentlicht: Demnach wünschen sich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung Deutschlands ein freiwilliges Impfangebot in Schulen: 68 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, nur 23 Prozent lehnen sie ab und neun Prozent sind unentschieden.

Besonders hoch ist die Zustimmung in der Altersgruppe, für die die HPV-Impfung hohe Relevanz hat: Jugendliche von 14 bis 17 Jahren befürworten die Schulimpfung zu 76 Prozent. Kinder und Jugendliche im Alter von neun bis 14 Jahren sind die Zielgruppe der Impfung, ebenso 15- bis 18-Jährige, die verpasste Impftermine nachholen können. Auch Erwachsene zwischen 40 bis 49 Jahren sind zu 69 Prozent für eine HPV-Schulimpfung. In dieser Altersgruppe dürften laut DKFZ verhältnismäßig viele Eltern von Kindern im Impfalter vertreten sein.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum

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