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Pflegekräfte im Umgang mit Psychopharmaka stärken

09.04.2024 Taina Ebert-Rall 4 Min. Lesedauer

Wenig Personal, mehrere Berufsgruppen mit unterschiedlichen Fachkenntnissen, manchmal schwierige Bewohnerinnen und Bewohner: Die Arbeit im Pflegeheim ist von vielerlei Herausforderungen geprägt. Eine davon ist die Gabe von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Astrid Eich-Krohm vom Institut für gerontologische Forschung (IGF) erläutert im Gespräch mit G+G, wo ein vom GKV-Spitzenverband gefördertes Projekt ansetzt.

Foto: Eine ältere Person hält Tabletten in der Hand und zeigt auf eine davon. Eine zweite Person mit Stethoskop hat eine Tablettendose in der Hand.
Schlaf- und Beruhigungsmittel werden Pflegeheimbewohnern teilweise dauerhaft verordnet.

Das Projekt ziele darauf ab, Pflegefachpersonen niedrigschwellig im Umgang mit Psychopharmaka und Alternativen in der stationären Langzeitpflege zu schulen, macht Projektleiterin Astrid Eich-Krohm vom IGF in Berlin im Gespräch mit G+G deutlich. Nach einer Probephase soll die Onlineschulung im Sommer 2025 für Pflegefachkräfte zur Verfügung stehen. „Die Idee ist, dass die einzelnen Module je nach Wissensstand anhand eines Inhaltsverzeichnisses von den Pflegekräften kostenfrei abgerufen werden können“, so Eich-Krohm. Derzeit befindet sich das Projekt „Entwicklung und Erprobung eines Schulungskonzepts zum Umgang mit Psychopharmaka in der stationären Langzeitpflege (PhasaP II)“ noch im Aufbau. „Das bedeutet, dass wir Beschäftigte zu ihrer Arbeit interviewen, Fokusgruppen durchführen, Fallbeispiele besprechen und die Routinen in den einbezogenen Pflegeheimen kennenlernen.“

Pflegefachkräfte als Multiplikatoren

Foto: Porträt von Astrid Eich-Krohm, Institut für gerontologische Forschung (IGF)
Dr. Astrid Eich-Krohm, Senior Research Associate am Institut für gerontologische Forschung (IGF) in Berlin

Sieben Pflegeheime in Berlin und Brandenburg arbeiten mit, den Fokusgruppen gehören jeweils zwischen fünf bis zehn Pflegekräfte und beteiligte Berufsgruppen an. „Von ihnen erhalten wir für unser Projekt wichtige Informationen, etwa über Arbeitsabläufe und den Informationsaustausch oder über die Weitergabe von Wissen an Auszubildende“, erklärt Eich-Krohm. Schließlich sollen die Onlineschulungen auch der Multiplikatorenrolle der Fachkräfte gerecht werden. Alles in allem geht es nach Angaben der Soziologin und Pflegewissenschaftlerin Eich-Krohm darum, die Schulung „so niedrigschwellig wie möglich anzubieten, damit die Pflegefachkräfte das benötigte Wissen so einfach wie möglich anklicken können“. „Denn eigentlich haben die Pflegekräfte kaum noch Kraft, um sich weiterzubilden. Gleichzeitig sind Weiterbildungen vorgeschrieben.“

Östliche Bundesländer schnitten besser ab als westliche

Wie dringend solche Schulungen zum Umgang mit Psychopharmaka benötigt werden, zeigt unter anderem der „Pflege-Report 2023“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zum Thema „Qualität in der Langzeitpflege“ auf. Demnach variiert etwa die dauerhafte, problematische Verordnung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln bei Pflegeheimbewohnern deutlich nach Regionen. Der Anteil der Pflegebedürftigen im Heim, die laut Bericht 2021 eine problematische Dauerverordnung solcher Medikamente erhielten, lag im Viertel der Regionen mit den besten Ergebnissen bei maximal 4,7 Prozent, während im Viertel der Regionen mit den schlechtesten Ergebnissen mindestens 9,9 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner betroffen waren.

Heime in den östlichen Bundesländern schnitten bei der Untersuchung besser ab als im Westen. Problematische Dauerverordnungen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln stellte der Report in Heimen unter anderem im Saarland sowie in Nordrhein-Westfalen fest, wo 45 der 53 Kreise und kreisfreien Städte auffällige Ergebnisse aufweisen. „Die Auswertung der Verordnungsdaten bestätigt den Befund zahlreicher Studien, dass hier ein ernsthaftes Versorgungsproblem besteht, das regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist“, erklärte denn auch Report-Autorin Antje Schwinger, Forschungsbereichsleiterin Pflege im WIdO.

Verantwortungsvakuum im Umgang mit Psychopharmaka

Die nun geplanten Onlineschulungen basieren auf Erkenntnissen aus einem Vorläuferprojekt (PhasaP), in dem eine Handreichung und ein Implementierungskonzept für Pflegeheime erarbeitet worden waren. „Der Blick auf die Abgrenzung beziehungsweise das Ineinandergreifen ärztlicher und pflegerischer Verantwortungsbereiche zeigte, dass im Umgang mit Psychopharmaka in der Langzeitpflege ein Verantwortungsvakuum besteht, in dem seitens der Pflege auf die ärztliche Verantwortung für die Anordnung von Medikation, ärztlicherseits wiederum auf die pflegerische Verantwortung für die Patientenbeobachtung verwiesen werden kann“, heißt es unter anderem in dessen Fazit.

Von großer Bedeutung für einen angemessenen Umgang mit Psychopharmaka seien „die in der Einrichtung bestehenden Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Alternativen und die diesbezügliche Qualifikation des Personals inklusive der vorhandenen gerontopsychiatrischen Qualifikation“. Wichtig seien zudem eine „Stärkung der Handlungskompetenz und Einbindung aller an der Betreuung und Versorgung beteiligten Berufsgruppen“.

Dass das Implementierungskonzept von den Pflegeheimen bisher „nicht so stark abgerufen“ wurde, erklärt Pflegeexpertin Eich-Krohm mit der „mangelnden Kapazität, das selbst umzusetzen“. Deshalb setze man nun auf die Onlineschulungen. Als mögliche Partner dafür hofft sie auf Krankenkassen, Pflegeverbände und Hochschulen, „da das Projekt auch evaluiert werden soll“.

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