Kommentar: Gefährliche Melange
Die Aussichten im deutschen Gesundheitswesen sind so düster wie lange nicht. Ein Kommentar von Rainer Woratschka, Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel.
Die Diagnose ist nicht schwierig: Es brennt im deutschen Gesundheitswesen. Akteure ersticken in Bürokratie, Notaufnahmen quellen über, Kassenpatienten kämpfen erfolglos um zeitnahe Facharzttermine, Personalengpässe gefährden die Sicherheit von Klinikpatienten. Und wie zum Hohn für Betroffene: Die Beiträge schießen dennoch ungebremst in die Höhe, was wiederum das dringend benötigte Wirtschaftswachstum abwürgt. Welch eine Melange.
Dass das System zügig umfassender Reformen bedarf, war der neuen Regierung von Anfang an klar. Doch nach über einem halben Jahr muss man konstatieren: Trotz Ampel-Vorarbeit ist kaum etwas vorangekommen. Im Gegenteil: Die bereits eingetütete Krankenhausreform droht in der Umsetzung wieder verwässert zu werden. Der Finanzminister verweigert Steuergelder für versicherungsfremde Leistungen.
„Trotz Vorarbeit der Ampel ist kaum etwas vorangekommen.“
Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel
Und selbst ein eilig beschlossenes Mini-Sparpaket flog kurz vor dem Ziel aus der Kurve, weil die Länder nicht eingebunden wurden. Wegen politischer Stümperei gab es also noch eine zeitraubende Runde durch den Vermittlungsausschuss – mit der Folge, dass die Versicherer bis zuletzt ihre Haushalte nicht seriös planen konnten. Beitragserhöhung ins Blaue hinein: Ein größeres Debakel habe es in der GKV-Geschichte nie gegeben, so ein frustrierter Kassenchef.
Und wie weiter nach dem verlorenen Jahr? Die Aussichten sind düster. Empfehlungen der viel zu spät eingesetzten Finanzkommission kommen frühestens Ende März, danach beginnt erst mal der Streit darüber. Die überfällige Notfallreform, seit 2019 in der Mache, dümpelt weiter im parlamentarischen Verfahren. Und die Hoffnung auf bessere Patientensteuerung? Wird wohl ebenfalls erst nach langen Debatten in einem Minimalkonsens münden – wenn man sich überhaupt einigen kann.
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