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Recht: Kein Schadenersatz vom Arzt nach Corona-Spritze

19.11.2025 Kathleen Neumann 5 Min. Lesedauer

Bundesgerichtshof stärkt die Position von Medizinern. Wer mögliche Impfschäden geltend machen will, muss den Staat verklagen.

Symbolbild eines Paragraphenzeichen, das auf einem geöffneten Buch steht

Als Ende 2020 die Corona-Impfungen anliefen, durfte nur in staatlich organisierten Impfzentren und durch deren mobilen Teams geimpft werden. Erst im Frühjahr 2021 öffnete sich das System – zunächst für beauftragte Arztpraxen und Betriebsärzte, später auch für Vertrags- und Privatarztpraxen. Schließlich durften sich sogar Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker an der Impf-Aktion beteiligen.

Im Mai und Juni 2021 erhielt ein 1989 geborener Mann die ersten zwei Injektionen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2. 

Am 15. Dezember 2021 bekam er in der Gemeinschaftspraxis seiner niedergelassenen Hausärztin für Allgemeinmedizin durch eine Praxismitarbeiterin die dritte, eine sogenannte „Boosterimpfung“, mit „Spikevax“. Über den genauen Ablauf der Impfung und die Gespräche vor Verabreichung der Spritze besteht Uneinigkeit zwischen Patient und Praxis. 

Urteil vom 9. Oktober 2025 (Bundesgerichtshof)

– Az. III ZR 180/24 –

Erfolglos in den Vorinstanzen

Drei Wochen nach der Boosterimpfung diagnostizierten Ärzte bei dem Mann eine Herzerkrankung. Der Betroffene sieht darin einen Impfschaden und moniert, die dritte Impfung sei fehlerhaft verabreicht und er zuvor nicht hinreichend aufgeklärt worden. 

Als Folge seien seine kognitiven Fähigkeiten erheblich eingeschränkt. Er könne seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben und sei zudem aufgrund organischer Beschwerden psychisch stark beeinträchtigt. Vor Gericht forderte er deshalb von seiner Hausärztin unter anderem Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 Euro. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. 

Nun hat auch der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision des Mannes zurückgewiesen und ausgeführt, dass die Verantwortung für mögliche Aufklärungs- und Behandlungsfehler grundsätzlich den Staat trifft. Eine persönliche Haftung der Ärztin für etwaige Impfschäden sei deshalb obsolet.

Die Begründung der obersten Zivilrichter: Private Leistungserbringer handelten hoheitlich. Die Medizinerin habe die Impfung in Ausübung eines öffentlichen Amtes verabreicht und sei damit haftungsrechtlich wie eine Beamtin zu behandeln. Gemäß Artikel 34 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) komme deshalb nur eine Amtshaftung des Staates in Betracht.

„Für etwaige Impfschäden nach einer bis zum 7. April 2023 durchgeführten Covid-19-Impfung haftet der Staat und nicht der behandelnde Arzt persönlich.“

Kathleen Neumann

Justitiarin im AOK-Bundesverband

Mediziner handelten hoheitlich

Eine Privatperson handelt dann hoheitlich, wenn ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung und der hoheitlichen Aufgabe besteht. Dabei müsse die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nehmen, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug“ oder „Erfüllungsgehilfe“ des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss. Diese Situation sahen die Karlsruher Verfassungsrichter als gegeben an. 

Die Erfüllung des staatlichen Impfschutzes diente demnach nicht nur dem individuellen Gesundheitsschutz, sondern auch der Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen und Bereiche der Daseinsfürsorge. Die Impfungen waren aus dieser Perspektive ein zentrales Mittel zur Bewältigung der Corona-Pandemie; der darauf gerichtete Anspruch ein wesentlicher Bestandteil der staatlichen Impfkampagne, in die Ärztinnen und Ärzte ausdrücklich eingebunden waren. Das heißt: Der Staat gab vor, auf welche Weise Mediziner die entsprechenden Leistungen vorzunehmen hatten. 

Hinzu kommt, so das Gericht weiter, die Nähe des Impfanspruchs zur sogenannten Eingriffsverwaltung, also der staatlichen Intervention in die Grundrechte seiner Bürger. Es habe zwar keine allgemeine Impfpflicht existiert, ungeimpfte Bürger seien aber mit Nachteilen konfrontiert gewesen, etwa in Form von bußgeldbewehrten Zugangs- und Kontaktbeschränkungen.

Grafik: Impfschäden: Die Zahlen verdeutlichen die Diskrepanz zwischen gemeldeten Verdachtsfällen und anerkannten Impfschäden. Sie verweisen auf hohe Hürden und auf ein Verfahren, das medizinische, juristische und politische Dimensionen miteinander verknüpft – oft über Jahre hinweg.

Zuständigkeit geklärt

Die Folge des BGH-Urteils: Betroffene müssen Klagen wegen Impfschäden oder Aufklärungsfehlern im Wege der Amtshaftung gegen den Staat richten. Niedergelassene Ärzte sind für eventuelle Impfschäden nicht verantwortlich. Ungeklärt konnte bleiben, ob die Beeinträchtigungen des Klägers eine Folge der Corona-Impfung waren. Ebenfalls ist weiterhin offen, ob bei einem Amtshaftungsprozess der Bund oder das jeweilige Bundesland passivlegitimiert ist, also die Frage, an welche staatliche Ebene eine Klage adressiert sein müsste. Auch zur Frage der Haftung des Impfstoffherstellers für eventuelle Gesundheitsschäden hat sich das Gericht nicht äußern müssen.

Veranstaltungstipp

Am 30. und 31. Januar 2026 findet im Berliner Maritim proArte Hotel der Kongress Pflege mit dem Deutschen Pflege-Recht-Tag statt. Eröffnet wird der Kongress von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken.

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