Mehr Rechte für Apotheken?
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) möchte mit ihrer geplanten Reform den Handlungsspielraum von Apotheken erweitern. Ist das ein guter Plan oder greift er zu sehr in den ärztlichen Tätigkeitsbereich ein? G+G hat vier Expertinnen und Experten gefragt.
Zugesagte Rahmenbedingungen in die Tat umsetzen
Thomas Preis, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände:
„Impfungen sowie die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten in besonderen Notlagen und bei Bagatellerkrankungen sind sinnvolle Erweiterungen des Apothekenbetriebs. Auch von vielen anderen Vorschlägen zur stärkeren Einbindung der Apotheken in die Primärversorgung können die Menschen profitieren. Allerdings wirken diese Zukunftspläne fast absurd, wenn man die Apotheken bis dahin kaputtspart. Denn nur wirtschaftlich stabile Apotheken und ein flächendeckendes Apothekensystem können zusätzliche Aufgaben überhaupt übernehmen und hinreichend stemmen. Dazu muss zuerst das Apothekenhonorar erhöht werden, das seit 13 Jahren eingefroren ist. Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung hat immerhin eine Erhöhung des Festhonorars auf 9,50 Euro pro rezeptpflichtigem Medikament festgeschrieben. Die Apotheken gehören zur Daseinsvorsorge und erwarten von der Politik, dass zugesagte Rahmenbedingungen auch in die Tat umgesetzt werden."
Reform im parlamentarischen Verfahren stoppen
Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes:
„Selten hat eine Reform eine solch geschlossene Ablehnung durch Ärzteverbände und Krankenkassen provoziert. Das sollte eigentlich auch dem Bundesgesundheitsministerium zu denken geben. Dass Apotheken in Zukunft nicht nur eine Vielzahl an Impfungen durchführen sollen, sondern unter bestimmten Bedingungen auch eigentlich verschreibungspflichtige Medikamente ohne Verschreibung abgeben würden, wäre eine massive Gefährdung der Patientensicherheit. Apothekerinnen und Apotheker müssten am Tresen eine ärztliche Anamnese durchführen, beispielsweise, um feststellen zu können, wie die Blasenentzündung des Patienten, unter Berücksichtigung seiner Symptomatik und seiner Vorerkrankungen, konkret behandelt werden muss. Dass Apotheker dazu fachlich nicht ausgebildet sind, ist eigentlich offensichtlich. Stattdessen wird das zu noch mehr Chaos und zusätzlicher Belastung unseres Gesundheitswesens führen. Wir fordern daher: Diese Reform muss im parlamentarischen Verfahren gestoppt werden.“
Klärungsbedarf bei Abgabe von Medikamenten für „unkomplizierte Erkrankungen"
Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe:
„Wir haben bereits heute einen Mangel an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Daher ist es – insbesondere aus Sicht chronisch kranker Menschen – zu begrüßen, dass die Befugnisse der Apotheken im Bereich des Impfens und bei der Abgabe von Medikamenten erweitert werden sollen. Mit Blick auf das Impfen hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass Apotheken hier durchaus eine tragende Rolle übernehmen können. Auch die Möglichkeit, verschreibungspflichtige Medikamente an chronisch kranke Menschen bei dringendem Bedarf und bekannter Langzeitmedikation abzugeben, ist mehr als überfällig. Klärungsbedarf besteht allerdings bei der geplanten Abgabe von Medikamenten bei sogenannten „unkomplizierten Erkrankungen“. Hier kann es schnell zu Fehleinschätzungen kommen, und die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten ist in der Regel nicht intensiv genug, um Gefährdungssituationen sicher ausschließen zu können. Die Reformvorschläge der Bundesregierung wird man daher kritisch diskutieren müssen.“
Ausweitung des Impfangebotes begrüßenswert
Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband:
„Wir sehen die Reform mit großer Sorge: Zwar hat man die angespannte GKV-Finanzsituation wohlmeinend im Blick, doch die Leistungsausweitungen und neuen Kompetenzen sind keinesfalls kostenneutral und gefährden mit Beinfreiheiten für Apotheken die Rabatteinnahmen der Krankenkassen. Die Ausweitung des Impfangebotes ist begrüßenswert. Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen und die gesetzliche Festschreibung bisher verhandelter Einzelleistungen sind aber ein versorgungspolitischer Rückschritt. Den Verhandlungspartnern wird jeglicher Spielraum genommen, sinnvolle Leistungspakete bedarfsgerecht zu gestalten. Zudem soll nur die Einzahlung in den Vergütungstopf enden, nicht aber das aufgelaufene Finanzvolumen von über einer halben Milliarde Euro an die Krankenkassen zurückgeführt und die Apothekenabrechnung umgestellt werden. Die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept lehnen wir – in Zeiten des E-Rezeptes und ärztlicher Mehrfachverschreibungen – ab.“
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