„Wir verschenken viel wertvolles Potenzial“
Die Versorgungslage in Gesundheit und Pflege ist angespannt. Sven Nobereit, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK PLUS (Arbeitgeberseite), analysiert die Gründe.


Verwaltungsratsvorsitzender der
AOK PLUS
Herr Nobereit, obwohl es heute mehr Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte gibt als je zuvor, fehlen Fachkräfte. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Sven Nobereit: Trotz steigender Beschäftigtenzahlen bleibt eine erhebliche Lücke. Hauptursachen sind gewachsene Strukturen mit zu vielen kleinen Krankenhäusern und die hohe Teilzeitquote: Ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte und rund 60 Prozent der Pflegekräfte arbeiten nicht in Vollzeit. So verschenken wir viel wertvolles Potenzial.
Warum ist die Teilzeitquote aus Ihrer Sicht so hoch?
Nobereit: Der Pflegeberuf ist gesellschaftlich hoch angesehen, aber auch anstrengend. In Pflege und Medizin kommt zur physischen auch eine hohe psychische Beanspruchung hinzu, denn die Patienten werden tendenziell immer schwerer, internationaler und dementer. Zudem erschwert die fehlende Anpassung von Kinderbetreuung an Schichtdienste die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ein weiterer Grund liegt in den kräftig gestiegenen Entgelten: Teilzeitbeschäftigung ist steuerrechtlich attraktiver als Vollzeitbeschäftigung. Leider befördert der Gesetzgeber auf diese Weise den Fachkräftemangel.
„Trotz steigender Beschäftigtenzahlen bleibt eine erhebliche Lücke.“
Alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK PLUS (Arbeitgeberseite)
Die Pflegeausbildung hat hohe Abbruchquoten. Was sind die Gründe dafür?
Nobereit: In der Tat: Rund 30 Prozent der Pflegeauszubildenden brechen ab. Am Geld liegt es sicher nicht, denn Ausbildung und Beruf werden inzwischen überdurchschnittlich bezahlt. Aus meiner Sicht sind es eher die unterschiedlichen Vorstellungen vom Beruf: Manche wollen direkt mit den Patienten arbeiten und fühlen sich von der zunehmenden Akademisierung abgeschreckt. Andere sehen gerade darin eine attraktive Perspektive. Wir brauchen gute Angebote für beide. Gleichzeitig sind förderliche Rahmenbedingungen in der Ausbildung unerlässlich: Feste Ansprechpartner, kontinuierliche Begleitung und Supervision geben Sicherheit und ein enger Praxisbezug zeigt den Wert des Gelernten. So steigt die Motivation, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen und in diesem so spannenden und vielfältigen Beruf zu bleiben.
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