Interview Versorgung

„Fragmentiert und unkoordiniert“

18.09.2025 Thorsten Severin 2 Min. Lesedauer

Die Politik muss laut Günter Roggenkamp, Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg (Versichertenseite), schnell handeln, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Foto: Mehrere Menschen sitzen gemeinsam in einem Wartezimmer.
Versorgung in Deutschland: Die Wartezeiten sind zum Teil aus dem Ruder gelaufen und Behandlungen erfolgen mit Verzögerung.
Foto: Porträt von Günter Roggenkamp, Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg (Versichertenseite).
Günter Roggenkamp, Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg (Versichertenseite)

Herr Roggenkamp, der Reformbedarf der ambulanten Versorgung in Deutschland ist unbestritten. Was ist Ihre Forderung an die Politik?

Günter Roggenkamp: Die Versorgungslandschaft im deutschen Gesundheitswesen ist fragmentiert, unkoordiniert und besonders für vulnerable Gruppen schwer verständlich und schwer zugänglich. Statt Patientenzentrierung haben wir Wartezeiten, die aus dem Ruder gelaufen sind, Behandlungen erfolgen mit Verzögerung, Behandlungsqualität geht verloren. Gesetzlich Versicherte werden bei der Terminvergabe gegenüber Privatversicherten und Selbstzahlenden weiterhin systematisch benachteiligt. Deshalb muss die Politik schnell die Grundlage dafür schaffen, dass das Leistungsversprechen eingehalten wird und die Versorgung finanzierbar bleibt.

Wie kann aus Ihrer Sicht eine nachhaltige Finanzierung gelingen?

Roggenkamp: Erforderlich ist eine verlässliche und solidarische Finanzierung durch Strukturreformen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite, um Leistungskürzungen und Beitragssteigerungen zu verhindern. Wir brauchen eine Dynamisierung des Bundeszuschusses und eine Neuberechnung der Zuschüsse für Bürgergeldbeziehende, um die Unterdeckung auszugleichen. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arznei- und Hilfsmittel kann helfen, die Ausgabenlast zu verringern. Perspektivisch ist der Übergang zu einer Bürgerversicherung anzustreben.

„Es geht um eine schnellere Terminvergabe und eine bedarfsgerechte Patientensteuerung.“

Günter Roggenkamp

Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg (Versichertenseite)

Wie sollte die Primärversorgung in Zukunft gestaltet sein? 

Roggenkamp: Es geht um eine schnellere Terminvergabe und eine bedarfsgerechte Patientensteuerung. Überflüssige Untersuchungen gilt es zu vermeiden. Wir brauchen ein breit aufgestelltes System mit klaren Spielregeln für Patienten, Haus- und Fachärzte. Hinzu kommen technische Lösungen wie Videosprechstunden und die elektronische Patientenakte. Eine gute Primärversorgung leitet Patienten besser durch die Versorgung, entlastet das Praxispersonal und führt zu einem effizienteren Einsatz der Beitragsgelder.

Illustration: Viele Menschen auf verschiedenen Ebenen, laufen, stehen, darunter ein Mensch im Rollstuhl und einer mit Blindenführhund. Links eine Untersuchung beim Facharzt/Vertragsarzt im Sitzen, rechts eine z.B. im Krankenhaus im Liegen.
Eine verbindliche Primärversorgung steuert Patientinnen und Patienten schnell und effizient durchs Gesundheitssystem. Dabei übernehmen in breit aufgestellten Praxisteams verschiedene Gesundheitsberufe ihren Teil des Aufgabenspektrums.
24.07.2025Sabine Richard7 Min
Auf einer Kante liegt eine Uhr. Die Hälfte liegt oben auf, die andere läuft die Kante herunter. Es sieht aus, als würde die Uhr schmelzen. Ihr großer Zeiger schwebt über dem Abgrund. Auf ihr stehen verschiedene kranke Personen: eine ältere Dame, ein Mann mit Krücken, eine Schwangere, ein Mann im Rollstuhl, der von einer Pflegerin geschoben wird und ein Arzt am Tablet.
Rund ein Drittel aller gesetzlich Versicherten muss nach eigenen Angaben zu lange auf einen Termin in einer Facharztpraxis warten. Auch das Terminservice- und Versorgungsgesetz mit seinen Vergütungsanreizen hat daran wenig geändert – weil die Steuerung der Patientinnen und Patienten verbesserungsbedürftig ist.
19.03.2025Sonja Milde, Janneke Saltner, Claudia Kemmesies, Marcel Tholema10 Min

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