Artikel Versorgung

Einwurf: Versorgung vulnerabler Gruppen

01.09.2023 Gerhard Trabert 4 Min. Lesedauer

Armut und Gesundheit bedingen sich gegenseitig. Doch die Politik tut zu wenig für vulnerable Gruppen, meint Gerhard Trabert und plädiert für eine gerechte Umverteilung der Ressourcen.

Foto: Eine junge Frau deckt eine ältere Frau mit einer Decke zu.
Für eine gerechtere Versorgung müssten Ressourcen umverteilt werden.

Armut führt zu Krankheit und Krankheit führt zu Armut. Das ist statistisch belegt und praktisch erfahrbar. Von Armut betroffene Menschen sterben deutlich früher – Frauen circa 4,4 Lebensjahre, Männer 8,6 Jahre. Zudem gibt es immer noch zahlreiche Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nicht krankenversichert sind.

Strukturelle Benachteiligung im Gesundheitssektor

Die zunehmende Privatisierung im Gesundheitssektor schließt ebenfalls immer mehr Menschen aus. Man kann und muss von einer strukturellen Benachteiligung, insbesondere von Armut betroffener Menschen, im Gesundheitssektor sprechen. Einige Beispiele: Für einen Menschen, der schlecht sieht, ist eine Brille überlebenswichtig. Dennoch werden die Kosten nur bis zum 18. Geburtstag übernommen. Frauen sind auf Produkte der Monatshygiene angewiesen, bekommen im Bedarfsfall aber keine finanzielle Unterstützung. Hier hat sich bereits der Begriff Periodenarmut etabliert. Darüber hinaus ist beim Bürgergeld das Budget für Ernährung viel zu gering. Damit lässt sich kein Kind gesund ernähren.

„Von Armut betroffene Menschen sterben deutlich früher.“

Prof. Dr. Gerhard Trabert

Arzt für Allgemein- und Notfallmedizin sowie Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie

Psychosozialen Hintergrund mehr berücksichtigen

Prof. Dr. Gerhard Trabert ist Arzt für Allgemein- und Notfallmedizin sowie Professor für Sozialmedizin/-psychiatrie. Er ist Gründer und erster Vorsitzender des Vereins „Armut und Gesundheit“ und betreibt in Mainz ein Arztmobil für wohnungslose Menschen.

Es besteht ein hohes Wissens- und Informationsdefizit aufseiten der politisch Verantwortlichen. Die Bitte und das Angebot durch unseren Verein „Armut und Gesundheit“ an das Bundesgesundheitsministerium, eine entsprechende Arbeitsgruppe zu implementieren, wurde abgelehnt. Für vulnerable Gruppen gibt es beispielsweise den Plan, Gesundheitskioske aufzubauen. Doch das Konstrukt ist unzureichend, ein wirkliches Konzept nicht erkennbar. Dabei sind genügend finanzielle Ressourcen im reichen Deutschland vorhanden.

Neben der Notwendigkeit einer finanziellen Umverteilung, um Armut zu reduzieren und zu verhindern, muss die Ausbildung von zukünftigen Medizinerinnen und Medizinern verbessert werden. Viele Studierende kennen sich nicht mit Armut aus. Umso nachteiliger ist es, dass Sozialmedizin und soziale Medizin im Studium keine Rolle spielen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Bereich Soziale Arbeit oder mit Beratungsstellen könnte für mehr Wissen und eine größere Sensibilisierung sorgen. Viele Krankheiten haben einen psychosozialen Hintergrund – das wird zu wenig berücksichtigt.

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