Artikel Finanzierung

Kassen drücken bei Finanzen aufs Tempo

21.05.2025 Bernhard Hoffmann 3 Min. Lesedauer

Mit Nina Warken hat eine erfahrene Parlamentarierin das Bundesgesundheitsministerium übernommen. Viel Zeit zum Einarbeiten hat die bisherige Innenpolitikerin nicht. Dafür drängen vor allem die ungelösten Finanzierungsprobleme zu sehr.

Foto: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken mit den Kabinettskolleginnen und -kollegen im Schloss Bellevue.
Feierliche Ernennung im Schloss Bellevue: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (5. von rechts) mit den Kabinettskolleginnen und -kollegen

Das Bild des Stolperns gleich zum Auftakt wird die schwarz-rote Regierungskoalition durch die Notwendigkeit eines zweiten Wahlgangs bei der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler nicht mehr loswerden. Der Vorgang selbst dürfte aber rasch an Bedeutung verlieren – angesichts der anstehenden Aufgaben und Herausforderungen wie in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (SPV). Denn die Lage ist dramatisch: Zwischen Einnahmen und Ausgaben klaffte Ende vergangenen Jahres ein Minus von 6,2 Milliarden Euro. Zum Jahresanfang 2025 stiegen die Zusatzbeiträge auf Rekordhöhen, während gleichzeitig die Ausgaben weiterhin stärker zulegen als die Beitragseinnahmen. Die Ampelkoalition hatte sich zwar eine Finanzierungsreform der GKV vorgenommen, aber nicht umgesetzt. Umso mehr drücken nun die Krankenkassen aufs Tempo.

Keine Schonfrist

So wünschte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, der ­neuen Bundesgesundheitsministerin „viel Erfolg bei der anspruchsvollen Aufgabe, die Finanzen der Kranken- und Pflegeversicherung wieder ins Lot zu bringen“. Die AOK begrüße die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die strukturelle Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben in der GKV zu schließen. „Allerdings brauchen wir Tempo auf dem Weg dorthin und die schnelle Umsetzung erster Sofortmaßnahmen“, stellte ­Reimann klar. Die Stabilisierung der Finanzen in der Kranken- und in der Pflegeversicherung dulde „keinen weiteren Aufschub“. 

Ähnlich äußerte sich die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer. Die schlechte Finanzsituation „macht sofortiges Handeln dringend erforderlich“. Daher sei eine Kommission, die laut Koalitionsvertrag im Frühjahr 2027 Ergebnisse vorlegen solle, „keine Option. Wir brauchen jetzt sofort kurzfristige Maßnahmen zur Finanzstabilisierung“, so Pfeiffer. Wie auch andere Kassenverbände plädierte sie für ein Ausgabenmoratorium. „Heißt konkret: keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen.“ Und auch die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK), Ulrike Elsner, drängt: „Hier gilt es, schnell und mutig zu handeln und zu einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik zurückzukommen.“ Es brauche „politischen Reformwillen und Durchsetzungskraft, um neue Wege einzuschlagen“.

Hoffnung enttäuscht

Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen waren die Kassenvertreterinnen und -vertreter optimistischer. Die Arbeitsgruppe „AG 6 Gesundheit und Pflege“ hatte einige der Kassenforderungen aufgenommen. Hierzu gehörte vor allem, dass der Bund für Bürgergeldempfänger kostendeckende Beiträge aus Steuermitteln zahlen soll. Der derzeitige Beitrag deckt nur etwa ein Drittel der Ausgaben, so dass den Krankenkassen und damit den Beitragszahlenden Kosten von fast zehn Milliarden Euro entstehen. Diese Forderung ist aber im Koalitionsvertrag nicht mehr enthalten.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gass, verbindet mit Nina Warken „die Erwartung, dass der gesundheitspolitische Dialog wieder in einem konstruktiven Miteinander geführt wird“. Auch er bezeichnete die Stabilisierung der Finanzen als eine der zentralen Herausforderungen. Und auch bei der Krankenhausreform sehe er „dringenden Handlungsbedarf“. Er hoffe auf einen „Ton des Respekts, des Dialogs und der lösungsorientierten Zusammenarbeit. All das haben wir in den letzten Jahren schmerzlich vermisst“, so Gass mit einem Seitenhieb auf Amtsvorgänger Karl Lauterbach.

Sorgenkind Pflege

In der Pflegeversicherung ist die Finanzsituation ähnlich dramatisch wie in der GKV. Das Jahr 2024 schlossen die Pflegekassen mit einem Minus von 1,54 Milliarden Euro ab. Zum Jahresanfang 2025 war der Beitragssatz um 0,2 Prozentpunkte gestiegen. Dennoch stellte im März erstmals eine Pflegekasse einen Antrag auf Finanzhilfe aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung. Die neue Regierungskoalition will noch in diesem Jahr Reformvorschläge vorlegen. Die Grundlagen soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene erarbeiten. Bei der Amtsübergabe von Lauterbach zeigte sich die neue Gesundheitsministerin zuversichtlich. Sie werde ihr Amt mit „viel Freude und viel Respekt“ angehen, sagte Warken. Anfang Juni stehen die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das erste Quartal dieses Jahres an.

Foto: Auf einem Tisch befinden sich mehrere Stapel von Münzen. Ein Stethoskop ist um die Münzen herumgelegt.
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07.05.2025Ines Körver3 Min

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