Blickwinkel Gesundheitssystem

Kleines Karo statt mutiger Reform

21.05.2025 Klaus Jacobs 2 Min. Lesedauer

Jacobs' Weg: Für die neue Bundesregierung hat die Gesundheits- und Pflegepolitik keinen hohen Stellenwert. Ihr Koalitionsvertrag gleicht in diesem Bereich einem Offenbarungseid.

Foto: Reichstag in Berlin, seitlich verschwommen aufgenommen.
In der Gesundheits- und Pflegepolitik sind tiefgreifende Strukturreformen erforderlich.
Foto: Porträtbild von Prof. Dr. Klaus Jacobs, Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
Prof. Dr. Klaus Jacobs war von 2002 bis zum Eintritt in den Ruhestand im März 2023 Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung trägt die Überschrift „Verantwortung für Deutschland“. Er ist mit dem Anspruch verbunden, Lösungskompetenz der demokratischen Mitte für die dringendsten Probleme des Landes zu vermitteln und damit Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen. 

In der Gesundheits- und Pflegepolitik gelingt dies nicht einmal ansatzweise. Der gesundheits- und pflegepolitische Teil des Koalitionsvertrags ist erschreckend ambitions- und hilflos. Für wichtige Gestaltungsfragen der krisengeschüttelten Kranken- und Pflegeversicherung sollen erst einmal Kommissionen gebildet werden. Als ob es noch Erkenntnisdefizite gäbe! Damit wird wertvolle Zeit verschenkt.

Aber auch bei der Versorgungsgestaltung bleiben die angekündigten tiefgreifenden Strukturreformen aus. Stattdessen gibt es Luftbuchungen: Laut Finanztableau der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ sollen mehr Prävention und ein verbindliches Primärarztsystem bereits ab 2026 viel Geld sparen. Wie soll das gehen? Im Übrigen sind die Kassen schon seit 20 Jahren zu einem flächendeckenden Angebot der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) verpflichtet. Dabei ist das besonders erfolgreiche Modell der AOK Baden-Württemberg gar kein reines HzV-Modell, sondern mit einer Reihe von Facharztverträgen verknüpft, die – neben vielen Strukturvorgaben – auch bei Terminvergaben helfen. Die Idee, dieses sehr voraussetzungsvolle Vertragskonstrukt per Gesetz „auszurollen“, ist völlig realitätsfern. 

„Ein gutes Primärarztsystem ist sehr voraussetzungsvoll.“

Klaus Jacobs

Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)

Geplant ist zudem eine Vergütungsreform für ambulante Fachärzte. Diese Absicht hatte bereits die letzte schwarz-rote Bundesregierung, die ein modernes Vergütungssystem für die gesetzliche und private Krankenversicherung schaffen wollte. Eine eigens gebildete Kommission legte Ende 2019 einen umfangreichen Bericht vor, der seitdem in der Schublade liegt. Jetzt kommt die private Krankenversicherung, deren Existenz der Hauptgrund für die Wartezeit-Problematik ist, nicht einmal mehr vor.

Eine Frau sitzt an ihrem Arbeitsplatz und schaut sich Unterlagen an.
Viele Patienten haben Schwierigkeiten, den richtigen Ansprechpartner für ihre Probleme zu finden. Doch dem Gesundheitssystem fehlt eine zielgerichtete Steuerung, um kranke Menschen zügig in die für sie beste Versorgung weiterzuleiten. Könnte die Einführung eines Primärarztsystems Abhilfe schaffen?
16.04.2025Tina Stähler3 Min

Das alles klingt leider nach ganz kleinem Karo für die nächsten vier Jahre und nicht nach den erforderlichen tiefgreifenden Strukturreformen.

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