Erstmal zum Hausarzt?
Viele Patienten haben Schwierigkeiten, den richtigen Ansprechpartner für ihre Probleme zu finden. Doch dem Gesundheitssystem fehlt eine zielgerichtete Steuerung, um kranke Menschen zügig in die für sie beste Versorgung weiterzuleiten. Könnte die Einführung eines Primärarztsystems Abhilfe schaffen?

Versorgung vulnerabler Gruppen verbessern

Eine effektive Patientensteuerung beginnt mit einer starken hausarztzentrierten Versorgung, die effizient, patientennah und koordiniert ist. Studien zeigen, dass hausärztliche Primärversorgung nachweislich die Versorgung vulnerabler Gruppen verbessern, Hospitalisationen und Notfallbehandlungen verringern und die Behandlungskontinuität steigern kann. Um Überversorgung zu vermeiden und die Versorgungsqualität zu sichern, braucht es gezielte Anreize. Dazu zählen der Ausbau der hausarztzentrierten Versorgung mit Vorteilen für Versicherte, in diesen Tarif ihrer Krankenkasse zu wechseln. Es sollte eine Kontaktgebühr beziehungsweise Kostenbeteiligung im Notdienst und – mit Ausnahmen – für gebietsärztliche Besuche ohne Überweisung geben. Außerdem fordern wir eine Reform der Aus- und Weiterbildungsstrukturen mit Priorisierung hausärztlicher Kompetenzen. Die hausärztliche Steuerung ist nicht nur effizient, sie erhöht auch die Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten.
Verstopfte Praxen entlasten

Viele Patienten sind mit den Strukturen und Prozessen unseres komplexen Gesundheitssystems faktisch überfordert. Im Notfall wie in der Regelversorgung gibt es viel zu viele ungezielte und unnötige Arzt-Patienten-Kontakte. Wenn Versicherte, wie in zahlreichen europäischen Nachbarländern, auch in Deutschland eine Hausarztpraxis wählen und diese die Koordination der gesundheitlichen Versorgung übernimmt, würden Patienten nicht nur vor zu viel und falscher Medizin geschützt. Es könnte zum Beispiel durch qualifizierte hausärztliche Überweisungen außerdem verkürzte Wartezeiten durch bevorzugte Terminvergabe beim jeweils am besten geeigneten Spezialisten geben. Durch eine hausarztzentrierte Versorgung und damit bedarfsgerechte Steuerung wird auch verhindert, dass Praxen oder Notaufnahmen von Patienten, die dort gar nicht hingehören, regelrecht verstopft werden. Derzeit werden so wertvolle Behandlungskapazitäten blockiert und die dort Beschäftigten sowie das System insgesamt überfordert.
Fachmedizinische Versorgung besser koordinieren

Das deutsche Gesundheitssystem ist komplex und für viele Patientinnen und Patienten zu kompliziert. Eine Lotsenfunktion kann helfen, die Versorgung besser zu strukturieren und medizinische Leistungen gezielter in Anspruch zu nehmen. Eine Möglichkeit bietet ein hausärztlich organisiertes Primärarztsystem. Für viele sind Hausärztinnen und -ärzte bereits heute die erste Anlaufstelle ihres Vertrauens in gesundheitlichen Fragen. Sie begleiten die Patientinnen und Patienten in der Regel langfristig und kennen deren Historie. Das prädestiniert sie, bei Bedarf in einer Vermittlerrolle zwischen Patienten und Fachärztinnen und -ärzten eine weitere fachmedizinische Versorgung zu koordinieren und zu begleiten. Unnötige Doppeluntersuchungen können so vermieden und letztlich Wartezeiten auf Facharzttermine verkürzt werden. Dazu muss jedoch die Kommunikation aller am Versorgungsprozess Beteiligten verbessert werden.
Hausarztzentrierte Versorgung bringt viele Vorteile

Seit 17 Jahren praktizieren wir die freiwillige Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) als Primärarztsystem. Unabhängige wissenschaftliche Evaluationen belegen die Vorteile. Besonders chronisch kranke Patienten profitieren. Sie erhalten gezieltere und effizientere Behandlungen, was ihre Lebensqualität und Lebenserwartung verbessert. Im Kardiologievertrag der AOK konnten wir nachweislich Krankenhausaufenthalte reduzieren und die Sterblichkeitsrate senken. Das Kollektivsystem muss grundlegend reformiert werden und einen Rahmen für gelingende Primärversorgungsansätze setzen, in dem eine regionale Ausgestaltung möglich ist und Selektivverträge alternative oder ergänzende Lösungen bieten können. Sonst gibt es nach wie vor unnötige Patientenkontakte und fehlende Anreize für eine koordinierte Versorgung. Das deutsche Gesundheitssystem braucht neben der starken Lotsenrolle der Haus- oder Primärärzte eine koordinierte, sektorenunabhängige Versorgungslösung, um leistungsfähiger und effizienter zu werden.
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