Für Wandel im Gesundheitswesen muss Führung neu gedacht werden
Ein Wandel des Gesundheitswesens hin zu mehr Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit ist ohne Frauen nicht möglich. Davon ist der Verein „Healthcare Frauen“ (HCF) überzeugt und dafür macht er sich stark, wie dessen Herbsttagung zeigte. G+G-Redakteurin Barbara Huhn hat die Veranstaltung besucht.
„Der Wandel im Gesundheitswesen kann nur gelingen, wenn wir Führung neu denken. Unser Bestreben ist es, einen Beitrag zur Veränderung der Strukturen im Gesundheitswesen zu leisten, um die Diversität in Top-Führungspositionen zu sichern“, sagte Cornelia Wanke, Vorständin des HCF bei der Herbsttagung des Vereins, zu der das Businessnetzwerk vergangenen Montag mehr als 250 Mitglieder und Akteure und Akteurinnen aus Gesundheitswesen, Politik und Wirtschaft nach Berlin eingeladen hatte – darunter auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken als Ehrengast.
Der HCF hat sich die Stärkung von Frauen in Führungspositionen im Gesundheitswesen auf die Fahnen geschrieben. 2006 gegründet, zählt er inzwischen mehr als 250 führende Frauen zu seinen Mitgliedern. „Systemische Transformation bedeutet, Silos aufzubrechen, Vielfalt zu leben und gendersensible Versorgung in der Praxis zu verankern“, so Wanke. Dafür brauche es Führungsmodelle, die Heterogenität zulassen und fördern, mit Frauen und Männern auf allen Ebenen.
Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert
„Es gibt Handlungsbedarf bei den Frauen in Führungspositionen“, konstatierte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken. „Bei den Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen sind Frauen leider nach wie vor immer noch stark unterrepräsentiert.“ Erfreulicherweise sei bei der Frauenförderung aber doch schon einiges erreicht worden, etwa durch das Führungspositionengesetz von 2021. „Über 75 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen sind Frauen – doch nur 29 Prozent übernehmen Führungsverantwortung. In den Top-Etagen sind es sogar nur 17 Prozent. Umso wichtiger ist, dass Frauen sichtbar werden, ihre Ideen Gehör finden und ihre Führung geschätzt wird“, unterstrich Dr. Irmgard Stippler, Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern und Jury-Mitglied des diesjährigen „Female Transformers in Healthcare“-Awards. „Damit mehr Frauen in Leitungspositionen kommen, braucht es vor allem strukturelle Veränderungen, die Chancengleichheit ermöglichen. Frauen in Führung bringen wichtige Perspektiven ein, stärken Innovation und können vorleben, wie Karriereplanung und faire Verteilung von Care-Arbeit Hand in Hand gehen.“
Man müsse einfach langsam begreifen, dass die Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen für die Unternehmen ein Qualitäts- und Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt seien – und das gerade auch vor den Herausforderungen des Fachkräftemangels, machte Warken deutlich. „In herausfordernden Zeiten braucht es Mut, Empathie und neue Perspektiven. Genau das bringen viele Frauen mit“, sagte Gordana Marsic, Mitglied des Vorstandes der AOK Baden-Württemberg und Laudatorin der Veranstaltung. „Ich erlebe täglich, wie kraftvoll es ist, wenn unterschiedliche Sichtweisen an einem Tisch zusammenkommen. Diversität führt zu besseren Entscheidungen und zu mehr Innovationskraft. Frauen bringen häufig eine andere Art des Führens ein: kooperativ, lösungsorientiert und nachhaltig.“
Passende Rahmenbedingungen schaffen
Hierfür braucht es Warken zufolge auch bessere Rahmenbedingungen, damit mehr Frauen in Spitzenpositionen kommen. „Auf dem Papier gibt es schon eine ganz gute Rechtslage, aber ich habe das Gefühl, seit Corona sind wir da eher wieder ein paar Schritte zurückgegangen, als dass wir uns nach vorne entwickelt haben, vor allem bei der Verlässlichkeit für die Eltern – und da müssen wir wieder ran“, sagte die CDU-Politikerin. Wichtige Verbesserungen ließen sich in den Institutionen des Gesundheitswesens auch ohne gesetzliche Änderungen, sondern mit internen Maßnahmen anstoßen. Hierzu zählten zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Möglichkeiten des Jobsharings auch in Führungspositionen und verstärkte Nutzung digitaler Sitzungsformate.
„Wenn wir Rahmenbedingungen schaffen, die Vereinbarkeit und Karriere gleichzeitig ermöglichen, profitieren alle: die Frauen selbst, die Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes“, erläuterte Stippler. „Häufig liegt es nicht am Können, sondern an starren Strukturen, die zu wenig Flexibilität und damit zu wenig Sichtbarkeit bieten. Diese Veränderung sollte von Frauen und Männer gemeinsam gestaltet werden.“ Auch Marsic wünscht sich passende Rahmenbedingungen für Frauen. „Es braucht faire Karrierewege, flexible Arbeitsmodelle und echte Chancengleichheit.“, kritisierte sie. „Noch immer stoßen viele an eine unsichtbare Grenze, obwohl Kompetenz und Engagement da sind.“
Ohne Netzwerk keine sichtbare Wirkung
HCF-Vorständin Wanke verwies auch auf die Bedeutung des Netzwerkens. „Unsere Arbeit kann sich nur dann entfalten, wenn sie in den Dialog kommt, und zwar mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.“ HCF sei ein Netzwerk, „das Haltung zeigt, weil wir über Themen sprechen, die oftmals unbequem sind wie über Gleichstellung, faire Strukturen und auch über Frauengesundheit“. Wie wichtig Netzwerke sind, betonte auch Marsic: „Netzwerke sind wie Verstärker. Ohne sie bleibt vieles unsichtbar. Gerade Frauen neigen dazu, im Stillen großartige Arbeit zu leisten, statt sich zu vernetzen und die eigene Expertise sichtbar zu machen.“ Dabei seien starke Partnerschaften ausschlaggebend, um Ideen umzusetzen und Wirkung zu entfalten. Laut Stippler sind Freiräume für Netzwerke entscheidend. „Netzwerken ist kein ‚Nice to have‘ – es ist ein zentraler Erfolgsfaktor“, so Stippler. „Vorgesetzte können diesen Prozess aktiv unterstützen, indem sie Netzwerkarbeit in Zielvereinbarungen einbeziehen, die Teilnahme an Tagungen ermöglichen und ihr Stellenwert sichtbar gemacht wird.“
Award in vier Kategorien verliehen
Im Rahmen der Veranstaltung wurden zum dritten Mal die „Female Transformers in Healthcare“ gekürt in den Kategorien Transforming Leadership, Transforming Processes, Transforming Cooperationundin derSonderkategorie Ehrenamt. Die „Female Transformers“ hatte zuvor eine Jury aus zehn Mitgliedern – unter ihnen die Vorständin der AOK Bayern, Stippler – ausgewählt.
Der Award Transforming Leadership ging an Brenya Adjei, die als Geschäftsführerin der Gematik seit September 2024 die Bereiche People, Culture & Organization (PCO), Kommunikation und IT verantwortet. Franziska Miegel erhielt den Award Transforming Processes. Sie leitet die Arbeitsgruppe „Technikgestützte Psychotherapie“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). In der Kategorie Transforming Cooperation wurde Angela Hemme ausgezeichnet. Sie hat im Juli 2024 die Geschäftsführung der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung (ÄGGF) übernommen. In der Sonderkategorie Ehrenamt nahm Regine Rapp-Engels, Vorstand im Deutschen Frauenrat, den Award entgegen.
Mit dem Award „Female Transformers in Healthcare“ wollen das Fachmagazin „Health&Care Management“ (HCM) und das Business-Netzwerk HCF Frauen „sichtbar machen, die in Schlüsselpositionen die Gesundheitsversorgung resilient und nachhaltig gestalten – und damit die Gesellschaft verändern“. Für diesen notwendigen Wandel im Gesundheitswesen brauche es Führungsstärke, Offenheit, Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft diesen notwendigen Wandel. Ziel sei es, die wertvollen Ideen, Konzepte und Projekte dieser Frauen für das Gesundheitssystem von morgen zu fördern und einzubringen.
Positive Beispiele für den Wandel
Die ausgezeichneten Projekte zeigten eindrucksvoll, dass es viele starke Frauen gebe, die Innovationen vorantrieben und das Gesundheitswesen aktiv gestalteten, anerkannte Stippler. Sie bewiesen, dass Veränderung möglich sei und weibliche Führung echte Wirkung entfalte. Solche Auszeichnungen würden sichtbare Vorbilder schaffen und Mut machen. Stippler wünschte sich, dass der Award noch mehr Frauen inspiriere und ermutige, selbst Verantwortung zu übernehmen, eigene Ideen umzusetzen und den Wandel im Gesundheitswesen mitzugestalten. „Solche Awards sind viel mehr als eine Auszeichnung. Sie sind eine Bühne. Sie lenken Aufmerksamkeit auf Frauen, die jeden Tag mit Leidenschaft und Innovationskraft das Gesundheitswesen verändern“, betonte Marsic. „Diese positiven Beispiele braucht es, um den Wandel in Deutschland weiter voranzutreiben.“
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