Immer weniger Vertragsärzte wollen den vollen Versorgungsauftrag
Das vertragsärztliche Versorgungsangebot hält mit dem Plus an Ärztinnen und Ärzten nicht Schritt. Denn immer mehr Vertragsärzte arbeiten in Teilzeit – bei gleichzeitig steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für ärztliche Behandlungen.

Vertragsärzte haben einen gesetzlichen Versorgungsauftrag: Sie verpflichten sich, die medizinische Versorgung der gesetzlich Versicherten sicherzustellen. Laut Zulassungsverordnung können sie diesen Auftrag in vollem Umfang oder in Teilzeit erfüllen – konkret mit einem vollen, halben oder dreiviertel Versorgungsauftrag.
Mit 189.551 Vertragsärztinnen und -ärzten erreichte die vertragsärztliche Versorgung 2024 einen neuen Höchststand – darunter 154.630 Ärzte (davon 55.612 Hausärzte) sowie 34.921 Psychotherapeuten. Im Vergleich zu 2015 entspricht das einem Zuwachs von 13,3 Prozent.
Versorgungsumfang geht zurück

Jedoch ist die verfügbare Arztzeit nicht in gleichem Maße gestiegen. Denn die Anzahl der Vertragsärzte und -psychotherapeuten mit vollem Versorgungsauftrag ist von 116.505 im Jahr 2015 auf 91.916 im Jahr 2024 gesunken. Das entspricht einem Rückgang um 21,4 Prozent. Laut KBV ergibt sich aus diesem langjährigen Trend zur Teilzeittätigkeit unter Berücksichtigung des Teilnahmeumfangs (zum Beispiel voll, hälftig etc.) für 2024 lediglich ein leichtes Plus der vertragsärztlichen Kapazitäten von 0,2 Prozent gegenüber 2023. Die Ausgaben der Kassen für die vertragsärztliche Behandlung sind hingegen von 34,9 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 50,1 Milliarden im Jahr 2024 gestiegen – ein Plus von 43,6 Prozent.
Anhaltender Trend zur Anstellung
Darüber hinaus hält der Trend zur Anstellung in der vertragsärztlichen Versorgung weiter an: Auch wenn mit 123.752 Personen die Mehrheit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen laut KBV weiterhin in eigener Praxis arbeitet, erhöhte sich der Anteil der Angestellten unter allen Ärzten und Psychotherapeuten in der vertragsärztlichen Versorgung von rund 16 Prozent im Jahr 2015 auf etwa 29 Prozent im Jahr 2024.
Dabei gehen Ärztinnen häufiger in eine Anstellung als ihre männlichen Kollegen: Laut einer aktuellen Analyse der Stiftung Gesundheit ist inzwischen rund ein Drittel der Ärztinnen (33,5 Prozent) in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) angestellt.
Wunsch nach besserer Work-Life-Balance
Für den ehemaligen Vorsitzenden des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege, Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, liegen die Ursachen für die gestiegene Teilzeitquote sowohl in den hohen Anforderungen des Praxisalltags als auch im zunehmenden Wunsch nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Laut dem Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Frankfurt hat ein Hausarzt durchschnittlich 250 Patientenkontakte in der Woche und nur 9,1 Minuten pro Patient. „Früher waren Ärztinnen und Ärzte in Deutschland trotz Familie bereit, sehr viel zu arbeiten“, konstatiert Gerlach im G+G-Interview. Dieses Konzept habe sich erheblich verändert: „Junge Ärztinnen und Ärzte können heute erfolgreich fordern, nur an zwei oder drei Tagen in der Woche zu arbeiten.“
Neben der Teilzeitarbeit tragen laut dem Experten auch andere Aspekte zu Versorgungsengpässen bei – etwa die bevorzugte Terminvergabe an Privatpatienten oder der Fokus auf extra-budgetäre Leistungen wie individuelle Gesundheitsleistungen und Vorsorgeuntersuchungen mit fraglicher Wirksamkeit.
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