Steigende Kostendynamik in der sozialen Pflegeversicherung
Die soziale Pflegeversicherung steht unter Druck: Eine alternde Gesellschaft und mehr Pflegebedürftige lassen die Kosten spürbar steigen. Gleichzeitig stehen immer weniger Pflegekräfte zur Verfügung.

In der sozialen Pflegeversicherung (SPV) sind dem Bundesministerium für Gesundheit zufolge rund 74,56 Millionen Menschen und damit knapp 90 Prozent der Deutschen versichert. Rund 5,24 Millionen dieser Versicherten sind Leistungsbeziehende. Von den 9,14 Millionen Privatversicherten sind etwa 343.000 pflegebedürftig.
Durch den demografischen Wandel und die zunehmende Alterung der Bevölkerung wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter anwachsen. Denn mit steigendem Alter erhöht sich das Risiko der Pflegebedürftigkeit von zwei Prozent bei Menschen unter 60 Jahren auf 46,3 Prozent bei Menschen über 80 Jahren. Dies führt zu steigenden Ausgaben der Pflegeversicherung.
Hinweis: Da die 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung auf „Wenn-Dann-Szenarien“ basiert, gibt es neben der hier zugrunde liegenden Variante 2, die von einer moderaten Entwicklung bei der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und des Wanderungssaldos ausgeht, noch weitere Varianten und Modellrechnungen. Solche Prognosen sind naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet. So hat etwa unter anderem die Einführung des erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriffs dazu geführt, dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen schneller nach oben entwickelt hat als zunächst angenommen.
Babyboomer gehen in Rente
Ursächlich für die Alterung der Bevölkerung ist neben der sinkenden Geburtenrate bei gleichzeitig gestiegener Lebenserwartung die Alterung der Babyboomer – jener geburtenstarken Jahrgänge, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geboren wurden. So geht es aus der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes hervor. Gleichzeitig verschärft der altersbedingte Rückzug dieser Generation aus dem Erwerbsleben den bestehenden Mangel an Pflegekräften: Laut Destatis-Vorausberechnungen wird der Pflegekräftebedarf von 1,62 Millionen im Jahr 2019 voraussichtlich auf 1,77 Millionen im Jahr 2029 anwachsen. Das bedeutet einen Zuwachs von rund neun Prozent. Der steigende Bedarf trifft somit auf eine schrumpfende Zahl beruflich Pflegender – eine doppelte Belastung für das System.
Dringlichkeit einer Finanzreform

Bereits in den Jahren der Corona-Pandemie von 2020 bis 2023 zeigte sich, wie anfällig die SPV für unvorhergesehene Belastungen ist. Nach Angaben eines Gutachtens im Auftrag der DAK verursachte die Pandemie Mehrausgaben in Höhe von rund 13,1 Milliarden Euro. Etwa 5,9 Milliarden Euro davon wurden bislang nicht durch Bundesmittel ausgeglichen – obwohl diese Ausgaben zum Großteil auf gesamtgesellschaftliche Aufgaben – etwa Corona-Tests und -Prämien für Pflegekräfte – entfielen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der sozialen Pflegeversicherung fallen und daher eigentlich steuerfinanziert sein sollten.
Unabhängig von solchen Sondereffekten steigt der finanzielle Druck auf die SPV kontinuierlich an – getrieben durch die demografische Entwicklung und die wachsende Zahl an Pflegebedürftigen. Die Kostendynamik nimmt daher erwartungsgemäß zu. Laut einem Prognos-Gutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes wird der Finanzbedarf der SPV bei einer Fortschreibung des Status Quo bis zum Jahr 2030 auf rund 93 Milliarden Euro wachsen. Das Gutachten unterstreicht in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit ergänzender Steuermittel, um eine weitere Erhöhung der Beitragssätze zu vermeiden.
Kurzfristige Hilfen, langfristiger Bedarf
Zur kurzfristigen Stabilisierung der sozialen Pflegeversicherung will der Bund laut bisheriger Haushaltsplanung zwei zinsfreie Darlehen bereitstellen: 2025 sollen 0,5 Milliarden Euro in den Ausgleichsfonds der SPV fließen, wodurch die Finanzierung in diesem Jahr voraussichtlich gesichert ist. 2026 soll ein weiteres Darlehen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro folgen. Jedoch reichen diese nicht aus, um die Beitragssätze konstant zu halten – es wird ein zusätzliches Finanzierungsvolumen von mindestens zwei Milliarden Euro benötigt, um das erwartete Defizit auszugleichen.
Demografischer Höhepunkt mit absehbarem Ende
Bei der dargestellten demografischen Belastung handelt es sich allerdings um ein zeitlich begrenztes Phänomen. Denn nach den Pflegevorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes wird die geburtenstarke Babyboomer-Generation ab etwa 2055 im Alter schrittweise von geburtenschwächeren Jahrgängen abgelöst.
Mitwirkende des Beitrags

Autorin
Datenschutzhinweis
Ihr Beitrag wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion auf anstößige Inhalte überprüft. Wir verarbeiten und nutzen Ihren Namen und Ihren Kommentar ausschließlich für die Anzeige Ihres Beitrags. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, sondern lediglich für eventuelle Rückfragen an Sie im Rahmen der Freischaltung Ihres Kommentars verwendet. Die E-Mail-Adresse wird nach 60 Tagen gelöscht und maximal vier Wochen später aus dem Backup entfernt.
Allgemeine Informationen zur Datenverarbeitung und zu Ihren Betroffenenrechten und Beschwerdemöglichkeiten finden Sie unter https://www.aok.de/pp/datenschutzrechte. Bei Fragen wenden Sie sich an den AOK-Bundesverband, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin oder an unseren Datenschutzbeauftragten über das Kontaktformular.