Prävention und Nachhaltigkeit als Zukunftsvorsorge begreifen
Prävention und Gesundheitsförderung müssen stärker in den öffentlichen Fokus rücken und über ihre bisherige Verankerung im SGB V hinaus als Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge etabliert werden. Denn eines ist klar: Wir gewinnen alle, wenn Krankheiten gar nicht erst entstehen oder ihr Verlauf abgemildert werden kann. Davon profitieren nicht nur die Menschen, die gesund bleiben, sondern auch das Solidarsystem, das nicht für die Folgekosten aufkommen muss.
Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Die AOK Baden-Württemberg übernimmt bereits große Verantwortung und engagiert sich breit – mit individuellen Gesundheitskursen, bei der Beratung von Betrieben oder mit zahlreichen Aktivitäten in nicht betrieblichen Lebenswelten wie Kitas, Schulen oder Sportvereinen. Auch für die Prävention in der Pflege macht sich die AOK Baden-Württemberg stark. Diesen qualitätsgesicherten Präventionsangeboten dürfen nicht die finanziellen Mittel entzogen werden, im Gegenteil, sie müssen durch die Politik nachhaltig gestärkt werden. Darüber hinaus ist eine gesamtgesellschaftliche Strategie notwendig, die Gesundheit als Querschnittsthema in allen Politikfeldern verankert (Health in All Policies). Sie muss frühzeitig beginnen und bei den Lebensverhältnissen jeder einzelnen Person ansetzen. Dafür brauchen wir passende Rahmenbedingungen, die gesundheitsförderliches Verhalten unterstützen. Wichtig ist dabei, dass Prävention auch in der Gesellschaft als gemeinschaftliche Aufgabe betrachtet wird.
„Effektive Präventionsprogramme sind die einzige Möglichkeit, die steigende Krankheitslast zu dämpfen.“
Mitglied des Vorstands
Förderung von Gesundheitskompetenz
Eine umfassende Gesundheitsbildung ist essenziell für die systematische Förderung von Gesundheitskompetenz. Sie muss frühzeitig beginnen und in allen Lebensbereichen gestärkt werden – von der Kita über Schulen bis hin zur Ausbildung und dem Arbeitsleben. In einer zunehmend digitalen Welt wird es immer schwieriger, die Fülle an Gesundheitsinformationen zu bewerten und sinnvoll zu nutzen. Deshalb muss auch die Förderung digitaler Gesundheitskompetenz ein zentraler Bestandteil der Gesundheitsbildung sein.
Darüber hinaus ist auch die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die gesunde Lebensweisen unterstützen und ungesunde Gewohnheiten reduzieren. Dazu gehört die Förderung von Wissen über gesunde Ernährung ebenso wie strukturelle Maßnahmen. Andere Länder gehen hier mit gutem Beispiel voran – beispielsweise mit einer verpflichtenden sichtbaren Lebensmittelkennzeichnung oder einer Besteuerung stark gezuckerter Lebensmittel. Langfristig profitieren wir auch als Volkswirtschaft von einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung, denn gesündere Erwerbstätige sorgen für eine höhere Wertschöpfung.
Digitale Transformation als Chance
Die digitale Transformation bringt neue Möglichkeiten für eine bessere und vernetztere Gesundheitsversorgung mit sich. Wir nutzen diese Chancen, um eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und insbesondere die Gesundheitsprävention durch gezielte Datenanalyse zu stärken. Die rechtlichen Grundlagen hierfür wurden mit den Digitalgesetzen geschaffen, die 2024 in Kraft getreten sind. Um den Versorgungsalltag tatsächlich effektiver zu gestalten, bedarf es jedoch einer praxisorientierten Überarbeitung der bestehenden Regelungen. Es müssen Möglichkeiten für die Krankenkassen geschaffen werden, behandelnde Ärztinnen und Ärzte über Ergebnisse der Datenanalyse zu informieren, sofern diese relevant sind für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.
Klimawandel und Gesundheit
Die Auswirkungen des Klimawandels gelten laut der WHO als größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts. Der Lancet Countdown Bericht zu Klimawandel und Gesundheit 2024 macht deutlich, dass aufgeschobener Klimaschutz zu enormen wirtschaftlichen wie gesundheitlichen Folgekosten führt. Daher fordern wir, Klimaschutz als integralen Bestandteil der Gesundheitspolitik nach dem Ansatz „Health in All Policies“ in alle relevanten Prozesse einzubeziehen und die Versorgung klimaresilient zu gestalten. Damit diese Aufgabe gesamtgesellschaftlich wahrgenommen wird, fordern wir, Nachhaltigkeit in den Sozialgesetzbüchern zu verankern. Die AOK Baden-Württemberg geht hier voran und setzt auf konsequente Vermeidung und Reduzierung von CO2-Emissionen. Transparente und vertrauenswürdige Kompensationsmöglichkeiten müssen dringend ausgeweitet und Standards für den Gesundheitssektor festgelegt werden.
Impulse für die Fachkräftesicherung
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen Arbeitsbedingungen verbessert und Ausbildungswege attraktiver gemacht werden. Zudem müssen ausländische Fachkräfte stärker integriert werden, indem Anerkennungsverfahren beschleunigt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Auch der verstärkte Einsatz von digitalen Lösungen kann dazu beitragen, die Belastung des Personals zu verringern.
Nachhaltige Arzneimittelversorgung voranbringen
Wichtig ist auch eine stabile Arzneimittelversorgung. Diese ist dauerhaft nur zu gewährleisten, wenn sie ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet wird. Die AOK setzt sich für eine hochwertige, sichere und gleichzeitig bezahlbare Arzneimittelversorgung ein. Mit Blick auf sehr teure neue Arzneimittel muss die Preisbildung dahingehend reformiert werden, dass die bisher von den pharmazeutischen Unternehmen nach Markteintritt frei gesetzten Preise durch einen Interimspreis ersetzt werden. Darüber hinaus sollte der erhöhte Herstellerabschlag, der 2023 befristet eingeführt wurde, dauerhaft angehoben werden.
Zudem brauchen wir mehr Transparenz – von der Produktion bis zur Distribution – um Klarheit zu haben, ob ausreichend Arzneimittel vorhanden sind. Auch ein Frühwarnsystem für Lieferausfälle mit verpflichtenden Meldungen durch die Hersteller ist notwendig. Die Bevorratungspflicht für rabattierte Arzneimittel sollte auf alle versorgungsrelevanten Arzneimittel ausgeweitet werden.
Ein globales Problem für die Gesundheit sind Antibiotikaresistenzen, die vor allem durch die Belastung von Produktionsabwässern und den übermäßigen Einsatz von Antibiotika entstehen. Die AOK setzt in ihren Rabattverträgen bereits ein Umweltkriterium um, doch diese Maßnahme ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen eine europäische Kraftanstrengung durch Änderungen im EU-Arzneimittelrecht und im EU-Vergaberecht. Notwendig sind verbindliche Umweltkriterien für die Zulassung und die laufende Produktion ausgewählter Arzneimittel sowie einheitliche Kontrollsysteme zu deren Einhaltung.