Selbsthilfe im Netz

Die Selbsthilfewelt wird digital. Webseiten und Online-Angebote bieten neue und flexible Austauschformate. Die AOK Baden-Württemberg unterstützt das.

Rund eine viertel Million Menschen in Deutschland sind an Multipler Sklerose (MS) erkrankt. Betroffene profitieren vom Austausch miteinander. Die Selbsthilfeorganisation AMSEL unterstützt sie dabei. „Nicht erst anlässlich Corona wissen wir, wie wichtig dabei digitale Angebote sind“, sagt Michaela Seyerlen von der Geschäftsführung der AMSEL. Das Mulitple-Sklerose-Portal der AMSEL bietet Erkrankten viele Informationen und Austauschformate, etwa ein Forum, in das jede und jeder MS-Betroffene eine Frage schreiben und von der Community beantworten lassen kann. Außerdem kann man nach regionalen Ansprechpersonen und Aktivitäten suchen. Es gibt Erklärfilme, Webseminare, Fachvorträge, einen Docblog, in dem ein Neurologe neueste Entwicklungen kommentiert, oder den AMSEL-Dienstag, der Expertenchats und Couchgespräche via Internet ermöglicht. „Dass viele unserer Veranstaltungen jetzt hybrid stattfinden, ist vor allem für die Zielgruppe mit Mobilitätseinschränkungen wichtig“, sagt Michaela Seyerlen.

„Digitale Angebote sind für Betroffene wichtig.“

Michaela Seyerlen

Geschäftsführerin Service & Marketing, AMSEL e.V.

Die AOK unterstützt die gesundheitsbezogene Selbsthilfe durch finanzielle und infrastrukturelle Hilfen schon mehr als 30 Jahre. Seit 2020 müssen 70 Prozent der Mittel in Pauschalförderung gehen, während 30 Prozent in konkrete Projekte wie das MS-Portal fließen können. „Wir fördern gezielt mit Fokus Digitalisierung, weil sich auch die Selbsthilfewelt seit Corona verändert hat. So haben wir voriges Jahr den Ausbau der Social-Media-Kanäle der AMSEL unterstützt“, sagt Deborah Crazzolara, Selbsthilfe-Expertin bei der AOK Baden-Württemberg. Auch in den Aufbau der Webseite des Selbsthilfebüros Karlsruhe sind AOK-Projektgelder geflossen. Crazzolara spricht sich für die Rückkehr zur 50-50-Förderung aus. „Die Pauschalförderung mit ihrem jährlichen Antrags- Stichtag ist zu starr. Kleine und oft ehrenamtlich arbeitende Selbsthilfegruppen planen anders und brauchen mehr Flexibilität. Wir wünschen uns mehr Spielraum für die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe.“

Interview: Direkter Zugang für Hilfesuchende

Tanja Henkenhaf, Selbsthilfebüro Karlsruhe

Das digitale Selbsthilfebüro Karlsruhe bietet eine Webseite, auf der Menschen nach Gruppen suchen können. Was kann die Webseite besser als Google?

Bei uns hat jede Gruppe die Möglichkeit, sich auf einer Seite zu präsentieren. Diese Einträge in der Datenbank sind wie kleine Webauftritte, die sich ohne viel Aufwand erstellen und pflegen lassen. Hilfesuchende finden ihr Thema mit einem Klick, dazu Termine und Ansprechpartner. Alles ist so barrierefrei wie möglich gestaltet. Gerade für Sehbehinderte ist das wichtig. Außerdem haben wir für Themen, die es noch nicht gibt, Wartelisten. Sie tragen zur Gründung neuer Gruppen bei.

Seit wann gibt es die Webseite und welche Bilanz ziehen Sie bis dato?

Wir sind seit einem Jahr online und haben über 150 Gruppen im Stadt- und Landkreis mit im Boot. Seit dem Start haben wir außerdem rund einem Dutzend Gruppen geholfen, sich neu zu gründen. Im Dezember sind wir mit dem German Design Award für exzellentes Kommunikationsdesign im Netz ausgezeichnet worden. Das bestärkt uns zusätzlich.

Warum sind Digitalisierungsprojekte für die Selbsthilfe so wichtig?

Betroffene brauchen schnell Infos, und das funktioniert dank unserem Projekt. Die Webseite erleichtert die Arbeit auch für uns. Die Kontaktdatenpflege ist für die Gruppenleitung einfach und schnell und als Kontaktstelle können wir uns über die aktuellen Datensätze direkt mit nützlichen Infos an die Gruppen wenden. Die Aktualität ist wichtig, um Selbsthilfe-Suchende zuverlässig und frustfrei an passende Gruppen vermitteln zu können.