Unausgewogene Ernährung treibt die Krankheitslast
Drei Fragen zum 2. Deutschen Ernährungstag an Oliver Huizinga, Abteilungsleiter Prävention im AOK-Bundesverband

Übermäßiger Fleisch- und Zuckerkonsum verursachen in Deutschland knapp 28 Milliarden Euro an „versteckten Gesundheitskosten“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ende April vorgestellte Analyse des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace. „Unausgewogene Ernährung ist ein maßgeblicher Treiber für die Krankheitslast in Deutschland“, warnt der Abteilungsleiter Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… im AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Bundesverband, Oliver Huizinga. Gute und richtige Ernährung ist ein wesentlicher Faktor für die Gesundheit. Deshalb hatte die inzwischen gescheiterte Ampel-Regierung im Januar 2024 eine Ernährungsstrategie verabschiedet. Das Motto: „Gutes Essen für Deutschland“. Der jährliche Deutsche Ernährungstag soll für die notwendige Aufmerksamkeit sorgen.
Herr Huizinga, wer ist besonders gefährdet?
Huizinga: Das beginnt leider schon im Kindesalter. Kinder verzehren mehr als doppelt so viele Süßwaren und Snacks wie empfohlen, aber bleiben beim Obst- und Gemüseverzehr weit hinter dem Optimum zurück. Der wichtigste Grund dafür sind die sogenannten Ernährungsumgebungen, die aktuell ungesundes Essverhalten begünstigen: Hochkalorisches Essen mit viel Zucker, Fett und Salz ist hierzulande ständig im Übermaß verfügbar und wird sogar gezielt an Kinder und Jugendliche beworben.
Gesunde Ernährung klingt eigentlich ganz einfach, ist aber dann offensichtlich doch nicht so leicht. Woran hakt’s?

Huizinga: Ein Aspekt ist die mangelnde Transparenz. Die Kennzeichnung der Nährwerte ist für Laien eine Zumutung. Zudem haben die wenigsten Bundesländer die DGE-Empfehlungen für die Kita- und Schulverpflegung zum Mindeststandard gemacht. Die Weltgesundheitsbehörde WHO empfiehlt nicht ohne Grund, „die gesunde Wahl zur einfacheren Wahl zu machen“, indem unterstützende Ernährungsumgebungen geschaffen werden. Der Bürgerrat Ernährung hat in der letzten Legislaturperiode kluge Vorschläge gemacht, wie das gelingen kann: zum Beispiel durch eine laienverständliche Kennzeichnung, eine Mehrwertsteuerbefreiung für Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte, gesundes Schulessen oder Altersgrenzen für Energy-Drinks.
Das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat – wie es jetzt heißt – und somit auch der neue Bundesernährungsminister Alois Rainer (CSU) führen die Ernährungsstrategie der Ampel fort. Was sind Ihre Erwartungen an Schwarz-Rot?
Huizinga: Viel wäre schon erreicht, wenn die neue Regierungskoalition die Empfehlungen des Bürgerrats aufgreift und in die Umsetzung bringt. Das ist sie den engagierten Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die im parlamentarischen Auftrag wissenschaftsbasierte Empfehlungen erarbeitet haben. Wir haben kein Erkenntnisdefizit mehr, sondern ein Handlungsdefizit.