Gicht: Wie ein Feuer im Gelenk
Oft beginnt es nachts: Innerhalb weniger Stunden brennt das Gelenk wie Feuer, und schon die sanfteste Berührung löst Schmerz aus – das ist typisch für einen Gichtanfall. „Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung und wird durch eine erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut verursacht“, sagt Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband. Ein Gichtanfall kann sehr schmerzhaft sein, doch die Krankheit lässt sich gut behandeln. Medikamente und eine Ernährungsumstellung können helfen, den Harnsäurewert dauerhaft zu senken.

Männer häufiger betroffen als Frauen
Gicht ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung in Industrieländern wie Deutschland. Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden darunter. Männer erkranken etwa fünfmal so oft an Gicht wie Frauen, meistens ab dem 40. Lebensjahr. Frauen bleiben oftmals bis zu den Wechseljahren von der Gicht verschont. Offenbar bieten die weiblichen Geschlechtshormone, die Östrogene, bis zu diesem Zeitpunkt einen gewissen Schutz.
Nächtliche Schmerzen nach üppigen Mahlzeiten
Für Menschen, die noch nie einen Gichtanfall hatten, kommen die Beschwerden wie aus heiterem Himmel: Typischerweise treten die Schmerzen nachts oder früh morgens nach üppigen Mahlzeiten und Alkoholgenuss auf. Das betroffene Gelenk ist heiß, rot, geschwollen und schmerzt sehr stark. Beim ersten Gichtanfall ist meist nur ein Gelenk betroffen. Oftmals ist es das Grundgelenk des großen Zehs, also die Stelle, wo der Zeh am Fuß ansetzt. Aber auch die Sprung-, Knie- und Daumengrundgelenke sind typische Stellen. Begleitend kann Fieber auftreten. Nach einigen Tagen geht die Schwellung zurück, und die Entzündung klingt von selbst ab.
Radio O-Ton von Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband
Erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut
Auslöser sind rasche Änderungen der Harnsäurekonzentration im Blut. Als Folge kann die Harnsäurekonzentration in der Gelenkflüssigkeit über eine kritische Grenze ansteigen. Dann bilden sich winzige, nadelförmige Kristalle. Das Immunsystem reagiert auf die Harnsäurekristalle mit einer Entzündung. Harnsäure fällt im menschlichen Körper als Abbauprodukt sogenannter Purine an und wird über Nieren und Darm ausgeschieden. Purine sind eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die in jeder Körperzelle vorkommen. Sie sind Bestandteil des Erbmaterials, der DNA, und wichtige Grundstoffe des Körpers. Der größte Teil der Purine wird im Körper selbst produziert, nur ein geringer Teil wird mit der Nahrung aufgenommen. Werden durch das Essen viele Purine aufgenommen, steigt der Harnsäurespiegel an.
Ursache meist Störung der Nierenfunktion
Der Grenzwert für Harnsäure liegt bei 6,5 Milligramm je Deziliter Blutserum (6,5 mg/dl). Steigt der Harnsäurespiegel im Blut über diese Grenze, spricht man medizinisch von „Hyperurikämie“. Dann ist auch das Risiko erhöht, einen Gichtanfall zu erleiden. Ursache ist in den meisten Fällen eine Störung der Nierenfunktion, bei der die Nieren nicht so viel Harnsäure ausscheiden können, wie es erforderlich wäre. Ein erhöhter Harnsäurespiegel im Blut allein ist allerdings nicht aussagekräftig genug, da der Spiegel im akuten Anfall sogar normal sein kann. Eine weitere Kontrolle des Harnsäurespiegels nach ein bis zwei Wochen ist daher erforderlich. Eindeutig nachweisen lässt sich Gicht mit einer Gelenkpunktion. Dabei wird Flüssigkeit aus dem Gelenk entnommen und dann im Labor auf Harnsäurekristalle untersucht.
In seltenen Fällen führen angeborene Stoffwechseldefekte dazu, dass der Körper zu viel Harnsäure produziert. Auch bei bestimmten Krankheiten, etwa einer Leukämie, kann ein Zuviel an Harnsäure im menschlichen Körper anfallen.
Risikofaktoren
Daneben gibt es weitere Faktoren, die zu einer Erhöhung des Harnsäurespiegels beitragen können. Hierzu zählen bestimmte Arzneimittel, allen voran entwässernde Medikamente wie Diuretika. Lebensmittel wie Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte enthalten besonders viele Purine, die im Körper zu Harnsäure abgebaut werden. Auch zu viel Alkohol oder zuckerhaltige Getränke wie Cola können die Harnsäurekonzentration im Blut ansteigen lassen. Das Risko, an Gicht zu erkranken, steigt zudem durch Übergewicht.
Mögliche Spätfolgen
Die meisten Menschen erleiden innerhalb der ersten Jahre nach einem Gichtanfall einen weiteren Schub. „Unbehandelt kann die Gicht chronisch werden“, warnt Mediziner Ebel. Die Gelenke sind dann dauerhaft leicht entzündet und können sich mit der Zeit verformen. Spätfolge kann eine eingeschränkte Beweglichkeit sein. Das Gehen fällt schwer, man kann sich nicht mehr so schnell wie früher eine Jacke anziehen oder einen Kugelschreiber greifen. Eine weitere mögliche Spätfolge sind Harnsäure-Ablagerungen in den Weichteilen, sogenannte Gichtknoten. Die Knötchen oder Tophi, wie sie auch heißen, sind dank moderner Therapiemethoden selten geworden.
Behandlung
Bei einem akuten Anfall geht es in erster Linie darum, rasch die starken Schmerzen zu lindern und die Gelenkentzündung einzudämmen. Häufig werden dazu entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac eingesetzt. Kortisonpräparate sind eine weitere Behandlungsmöglichkeit. Wenn die Wirkung unzureichend ist, können die verschiedenen Wirkstoffe auch kombiniert werden. Die Kühlung des betroffenen Gelenks kann bei einem akuten Gichtanfall ebenfalls Linderung verschaffen Das Gichtmittel Colchicin wird wegen möglicher Nebenwirkungen und seiner langsameren Wirkung nicht mehr so oft eingesetzt.
Weiteren Attacken vorbeugen
Neben der Behandlung des akuten Gichtanfalls ist es wichtig, weiteren Gichtattacken vorzubeugen. Da akute Gichtanfälle durch bestimmte Lebensmittel ausgelöst werden können, kann es bereits helfen, Ernährungsgewohnheiten zu ändern, beispielsweise durch den Verzicht auf größere Mengen Alkohol, Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte. Welche Nahrungsmittel gut vertragen werden und welche nicht – das erfahren Betroffene beispielsweise im Rahmen von Ernährungsberatungen.
Aber auch Fasten kann einen Gichtanfall auslösen. Daher sollten Menschen mit Gicht darauf besser verzichten. Manchmal kann es helfen, nach ärztlicher Rücksprache Alternativen für bestimmte Medikamente zu suchen, die den Harnsäurespiegel erhöhen können. Wenn es nicht gelingt, die Gicht durch allgemeine Maßnahmen in den Griff zu bekommen, ist möglicherweise eine Behandlung mit Medikamenten sinnvoll, die den Harnsäurespiegel senken – etwa, wenn es oft zu Gichtanfällen kommt oder bereits Folgeerscheinungen wie Gichtknoten oder Nierensteine aufgetreten sind.