Antibiotika: So wenig wie nötig und so gezielt wie möglich

Bakterien können schwere Erkrankungen auslösen, Antibiotika helfen. Doch bei der Einnahme gibt es einiges zu beachten, denn Resistenzen drohen bei falscher Anwendung.

Foto: Zwei medizinische Kräfte schauen sich ein Untersuchungsergebnis in einer Petrischale an.

Seit der Entdeckung der Antibiotika vor mehr als 100 Jahren haben sie seitdem Millionen von Menschen das Leben gerettet. Sie wirken ausschließlich gegen bakterielle Infektionen wie bestimmte Lungen-, Blasen- oder Hautentzündungen. Antibiotika töten krankmachende Bakterien oder können ihre Vermehrung so weit hemmen, dass der Körper mit dem Infekt selbst fertig wird. Doch jeder Einsatz dieser Arzneimittel kann auch zum Verlust der Wirksamkeit führen: Die widerstandsfähigeren (genetisch veränderten) Bakterien überleben und vermehren sich; sie werden gegenüber dem Antibiotikum resistent. Weltweit nehmen diese Antibiotika-Resistenzen zu. Ein verantwortungsvoller Umgang beim gezielten Einsatz von Antibiotika wird daher immer wichtiger.

Radio O-Töne zum Thema von Tobias Lindner, Apotheker im AOK-Bundesverband

Antibiotika-Therapie häufig nicht passend

"Noch immer werden Antibiotika zu häufig und oft unnötig verschrieben - nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren.  Internationale Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 50 Prozent der Therapien nicht passend sind - unter anderem, weil die Antibiotika in ungeeigneter Dosierung oder Therapiedauer verschrieben werden. Das gibt den widerstandsfähigeren Bakterien immer wieder die Möglichkeit, neue Resistenzen gegen die Antibiotika zu entwickeln", sagt Tobias Lindner, Apotheker im AOK-Bundesverband. Und das hat Folgen: Jährlich treten in Europa mehr als 670.000 Infektionen durch antibiotikaresistente Bakterien auf und etwa 33.000 Menschen sterben an solchen Infektionen pro Jahr, so das European Centre for Disease Prevention and Control. Bakterien können sogar mehrere Resistenzen bilden, die sie dann gegen unterschiedliche Antibiotika schützen - so entstehen die gefürchteten multi­resistenten Erreger (MRE). In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen ist das Risiko erhöht, sich mit einem resistenten oder multiresistenten Erreger, wie zum Beispiel MRSA, anzustecken, so das Robert Koch-Institut

Verordnung von Antibiotika insgesamt geht langsam zurück

Zwar weisen die Antibiotika-Verordnungen in Deutschland insgesamt einen rückläufigen Trend auf, wie das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) feststellt - doch nach Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ist jedes zweite verordnete Antibiotikum ein Reservemedikament, also ein Medikament, das nur dann eingesetzt werden sollte, wenn alle anderen Antibiotika nicht infrage kommen. Reserveantibiotika sollten nicht zur Therapie von "normalen" Infektionen wie zum Beispiel Erkältungen eingesetzt werden, sondern nur im Bedarfsfall bei schweren bakteriellen Erkrankungen. Eine wichtige Stellschraube ist daher, Antibiotika nur ganz gezielt einzusetzen, um die Bildung von Resistenzen zu hemmen.

Große regionale Unterschiede

Interessanterweise gibt es insgesamt große regionale Unterschiede bei den Antibiotikaverschreibungen, wie eine Untersuchung des BIPS und der Universität Bremen ergab. Danach existiert ein starkes Ost-West-Gefälle: In den westlichsten Landkreisen von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz bekamen kleine Kinder fast viermal so viele Antibiotika wie im Süden und Südosten der Republik. Insgesamt wurden bei allen Altersgruppen in der Nähe der westlichen Grenze Deutschlands die höchsten Verordnungsraten gefunden.

Antibiotika helfen nicht gegen Viren

Doch nicht nur eine gezieltere Verordnung von Antibiotika kann gegen die Bildung von Resistenzen helfen, sondern auch das Verhalten von Patientinnen und Patienten. "Vielen ist nicht klar, dass zum Beispiel eine Erkältung in den meisten Fällen durch Viren ausgelöst wird, auch die Grippe, Influenza, wird durch Viren verursacht. Antibiotika helfen hier gar nicht - im Gegenteil: Ihre Anwendung kann dazu beitragen, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden. Deshalb sollten Sie Antibiotika nur dann einnehmen, wenn sie Ihnen wegen einer bakteriellen Infektion verschrieben wurden", so Apotheker Lindner.

Grundsätzlich sollten Antibiotika nie ohne Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt eingenommen werden - oder ohne Rezept im Internet oder im Ausland gekauft werden. Antibiotika, die anderen Personen verordnet wurden, sind tabu.

Richtige Einnahme wichtig

Wichtig ist auch die richtige Einnahme: "Beachten Sie immer die verordnete Wirkstoffmenge und halten Sie die vorgeschriebenen Einnahmezeiten ein", so Lindner weiter. "Nehmen Sie das Medikament mit Wasser ein - Milch wirkt kontraproduktiv. Und vor allem: Setzen Sie Antibiotika nicht selbstständig ohne Rücksprache mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt vorzeitig ab, sondern nehmen Sie ein Antibiotikum so lange, wie es verordnet wurde, auch wenn Sie sich schon vorher besser fühlen."