Kein Scherz: Humor macht Pflege leichter!

Ein Chefarzt, der mit roter Clownsnase im Gesicht das Patientenzimmer betritt - undenkbar? Nicht für Prof. Dr. med. Dr. phil. Rolf D. Hirsch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und 20 Jahre lang Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie und -psychotherapie sowie des Gerontopsychiatrischen Zentrums der Rheinischen Kliniken Bonn. "Mehr Humor wagen", lautet seine Devise, die ihm bei seiner jahrzehntelangen Arbeit gegen Gewalt im Alter geholfen hat und ihm auch mit 76 Jahren noch jede Menge Kraft und Energie für seinen Beruf gibt. 1997 gründete er gemeinsam mit anderen die Bonner Initiative "Handeln statt Misshandeln" und war einer der Ersten hierzulande, die das Tabuthema Gewalt im Alter öffentlich machten.

Eine ältere zu pflegende Frau sitzt gemeinsam mit einer Pflegekraft und lacht.
Professor Hirsch ist ein Mann in mittleren Jahren. Er steht vor einer Backsteinmauer. Er trägt eine Brille und ein Oberlippenbart. Sein Jackett ist kariert und er trägt darunter ein helles Hemd.
Professor Dr. Dr. Rolf D. Hirsch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Warum ist Humor in der Pflege wichtig?

Professor Hirsch: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… meinen oft, sie müssten immer alles sofort in Ordnung bringen, wenn irgendwo ein Malheur passiert oder ein Mensch herausforderndes Verhalten zeigt. Besser ist, erst mal durchzuatmen, den Menschen anzusehen und dann zu handeln. Ganz viele kritische Situationen lassen sich mit Humor leichter lösen. Lachen hat überdies eine heilende Funktion, es stimmt die Menschen positiver und kann nachgewiesenermaßen Schmerzen reduzieren.

Können Sie einige konkrete Situationen nennen, in denen Humor helfen kann?

Hirsch: Eine Mitarbeiterin erzählte mir von einer alten, pflegebedürftigen Dame, die immer sehr unfreundlich zum Pflegepersonal war und es bei jeder Gelegenheit mit dem berüchtigten Zitat von Götz von Berlichingen beschimpft hat. Da hat eine Pflegende zu ihr gesagt: "Wenn Ihr Hintern aus Schokolode wäre, würde ich glatt reinbeißen." Antwort der Dame: "Endlich versteht mich jemand." Seitdem war sie wie ausgewechselt und viel freundlicher.

Ich selbst hatte einmal einen schwierigen Patienten, der in einer Situation sehr wütend war. Ich bin dann zu ihm ins Zimmer gegangen, habe die Tür geschlossen und eine rote Clownsnase aufgesetzt. Und ihn angeschaut. Er hat zurückgeschaut und musste irgendwann lachen: Ein Chefarzt mit Clownsnase, das gab es doch gar nicht!

Humor hilft auch im Pflegeteam: Ich hatte zum Beispiel einen sogenannten Jammer- und Schimpfsack in meinem Büro. Kam dann jemand herein, um sich über irgendetwas zu beschweren, habe ich als Erstes auf den Jammersack gedrückt - das hat die Situation meist direkt aufgelockert.

In angespannten Situationen liegt humorvolles Verhalten zunächst nicht unbedingt nahe. Kann man es lernen?

Hirsch: Viele Pflegefachpersonen haben eine positive Grundhaltung und humorvolle Antworten in sich, trauen sich aber oft nicht, damit rauszugehen. Da ist immer die Angst, etwas falsch zu machen oder nicht konform zu sein. Dabei verringert Humor Stress und Angst und schützt vor möglichen Konflikten. Wenn zum Beispiel jemand kritisiert, dass am Kittel Schmutzflecken sind, kann man doch auch einfach sagen: "Ja, habe ich nicht ein schönes Fleckenmuster auf meinem Kittel?" Humor lässt sich lernen - zum Beispiel mit Rollenspielen, Improvisationstheater oder Schulungen durch Klinikclowns.

Wichtig ist, dass man nicht meint, sich immer durchsetzen zu müssen! Es kann helfen, mal die Perspektive zu wechseln und nicht immer nur das zu sehen, was schlecht läuft. Einfach ausgedrückt: Nicht nur Nachrichten konsumieren, sondern öfter auch mal Loriot schauen oder lesen und damit das eigene Humorvermögen trainieren.

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?

Hirsch: Dass das Thema "Humor in der Pflege" nicht als Luxus aufgefasst wird, sondern ganz selbstverständlich zur Fortbildung in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern gehört. Schön wäre auch eine Online-Plattform mit Tipps für Pflegepersonal, wie man kritische Situationen mit Humor lösen kann – eine Art Best-Practice-Börse.