„Ein Lächeln sind doch hundert Punkte!

Mit dem ROTE NASEN Deutschland e. V. hat die AOK PLUS das dreijährige Modellprojekt „Humor in der Pflege – für die seelische Gesundheit“ gestartet. Die Partner wollen den Beweis antreten, dass Humor erlernt und bewusst eingesetzt werden kann, um die Belastungen im Pflegealltag zu bewältigen.

21.04.2023Autor/in: Katja ZeidlerRubrik: Versorgung und Innovation 0

Natascha hat Heuschnupfen. Ein lautes Niesen versenkt sie direkt neben der Kaffeetafel in einem riesigen pinken Taschentuch. Dann greift sie ihre Ukulele, die sie sich an einer ebenso knallbunten Schnur um die Schultern gehängt hat, und singt mit ihrem Begleiter Udo los: „Wochenend, Sonnenschein, brauchst du mehr, um glücklich zu sein?“

Die Damen, die unmittelbar neben ihnen am Tisch sitzen, stimmen ohne zu Zögern ein. Der Liedtext der Comedian Harmonists, den ich erst im Internet nachschlagen muss, sitzt in dieser Runde sehr gut.

Das Pflegeheim als Ganzes betrachten

Dass Natascha und Udo mehrere Jahrzehnte alte Hits im Gepäck haben, ist kein Zufall. Sie sind zwei der professionellen Clowns, die alle zwei Wochen hier im Haus „Sonnenschein“ der Volkssolidarität Leipzig zu Gast sind. Die Visiten sind Teil des gemeinsamen Modellprojekts „Humor in der Pflege – für die seelische Gesundheit“, das die AOK PLUS und der ROTE NASEN Deutschland e.V. Ende 2022 ins Leben gerufen haben. Insgesamt drei stationäre Pflegeeinrichtungen in Leipzig und Erfurt machen mit.

„Wir wollen die Gesundheit unserer Versicherten erhalten – das steckt im Namen Gesundheitskasse schon drin“, sagt Heiko Kotte, Leiter des Bereichs Gesundheitsförderung bei der AOK PLUS. „Und es reicht nicht, dafür klassische Präventionskurse anzubieten. Wir müssen in die Lebenswelten der Menschen reingehen.“ Das tut die Gesundheitskasse in Kitas und Schulen, aber eben auch in Pflegeeinrichtungen. Die sind Zuhause und Arbeitsplatz in einem – und genau da setzt das Projekt „Humor in der Pflege“ an. „Wir erreichen gleich mehrere Zielgruppen“, sagt Heiko Kotte. „Die Bewohnerinnen und Bewohner, ihre Angehörigen, und die Mitarbeitenden.“

Volkssolidarität Leipzig/Friederike Stecklum

Welche Erfahrungen die Mitarbeitenden machen

Die Visiten der Clowns bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sind also nur ein Teil des Projekts. Die ROTEN NASEN, vor 20 Jahren mit einer Handvoll Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland gestartet, begannen ihre Arbeit einst auf einer kinderonkologischen Station und fanden sich sehr schnell auch in Pflegeeinrichtungen im Einsatz, erinnert sich Reinhard Horstkotte, der künstlerische Leiter. Wie Natascha und Udo begegnen die Clowns den Menschen im Haus „Sonnenschein“ ohne Mitleid, dafür mit viel Gespür für den Augenblick. Udo befüllt gerade sehr aufwendig und unter dem Lachen seines Publikums die Zuckerdose, während um ihn herum Kaffee ausgeschenkt und Kuchen gereicht wird.

Die Künstler sind alle professionell ausgebildet. „Wir nehmen Spaß eben sehr ernst“, sagt Reinard Horstkotte. Umgekehrt müssen die Pflegekräfte nicht zu Clowns werden, aber: Auch sie profitieren von dem Projekt. In dem dreijährigen Projekt werden nacheinander drei Gruppen durch Workshops und Begleitung im Arbeitsalltag zu Humoragenten und -agentinnen ausgebildet. Zu den ersten Teilnehmenden gehören nicht nur Pflegekräfte und Mitarbeitende der sozialen Dienste, sondern auch Menschen aus der Verwaltung. Im Mittelpunkt der Ausbildung stehen die eigene psychische Gesundheit und Resilienz. Annette Losleben, Mitarbeiterin der Verwaltung, sagt: „Schulungen zu Hygiene und Brandschutz haben wir schon. Jetzt lernen wir, auf uns selbst zu achten.“ Lars Dyniak, der Pflegedienstleiter des Hauses, nickt und erzählt, dass er sich auch wieder an das erinnere, was er in seiner Berufsausbildung mal über Kommunikation gelernt habe. „In der täglichen Arbeit verliert man sich oft. Durch die regelmäßigen Visiten und Workshops ist das bekannte und neue Wissen viel präsenter.“

Der Irrglaube mit dem Spaß bei der Arbeit

„Es ist ein Irrglaube, dass für Spaß bei der Arbeit keine Zeit sei“, sagt Reinhard Horstkotte vom ROTE NASEN Deutschland e.V. Humorvoll mit Fehlern und Missgeschicken umgehen zu können, Sorgen loslassen können und den Bewohnerinnen und Bewohnern wie auch Kolleginnen und Kollegen mit ein wenig Improvisation einen schönen Moment bereiten, das sind ganz praktische Effekte des Projekts, die die ersten Humoragentinnen und –agenten beobachten. „Ein Lächeln, das sind doch hundert Punkte. Das schönste, was man erhalten kann“, sagt Elke von Bosse, Mitarbeiterin im Pflegedienst.

Zwei Dinge haben sie als nächstes vor: Noch mehr Kolleginnen und Kollegen für die Ausbildung begeistern („Der Funke springt über!“) und auch die Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner ins Boot holen. Auch sie sollen erfahren, wie Humor positiv im Pflegealltag wirkt. Natascha stimmt schon mal den nächsten Titel auf ihrem Zupfinstrument an: Ganz Paris träumt von der Liebe, von Caterina Valente. Man ist textsicher im Haus „Sonnenschein“.

Weitere Informationen über das Modellprojekt finden Sie hier. Und hier erfahren Sie mehr über die Arbeit des ROTE NASEN Deutschland e.V.

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