Die Sachsenklinik – ein Beipackzettel

Deutschlands langlebigste Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ feiert Jubiläum. Ich bin eine von Millionen regelmäßen Zuschauerinnen und möchte gerade wegen des großen Erfolgs ab und zu das Drehbuch umschreiben.

30.01.2023Autor/in: Katja ZeidlerRubrik: Allgemein 2

Meine Freunde kennen das längst: Wenn wir zusammen „In aller Freundschaft“ schauen, falle ich regelmäßig dadurch auf, dass ich Sätze wie „Das ist doch nichts für die Notaufnahme!“ reinkommentiere.

Während meine beste Freundin sich beim Tatort regelmäßig über juristisch fragwürdiges Verhalten von Ermittlern aufregt, sehe ich das Treiben in der Sachsenklinik durch meine GKV-Brille, und das manchmal ganz schön kritisch.

Arztserien wirken

Das fiktive Krankenhaus in Leipzig ist der Dreh- und Angelpunkt der MDR-Erfolgsserie „In aller Freundschaft“. Gerade feiert man das große Jubiläum: 1.000 Folgen. Wenn Sie überlegen, wie lange „IaF“ schon im Programm ist: Am Tag nach der Erstausstrahlung der ersten Folge im Jahr 1998 begann Gerhard Schröders erste Amtszeit als Bundeskanzler, und Oli P. führte mit seinem Grönemeyer-Cover „Flugzeuge im Bauch“ die deutschen Charts an.

Ein Vierteljahrhundert auf Sendung – da kann man viel erzählen über Krankenhäuser und darüber, wie Gesundheitsversorgung funktioniert. Fünf Millionen Menschen pro Woche sehen und hören zu. Es gibt eine Reihe von Studien, die sich mit der Wirkung von Krankenhausserien auf Patienten beschäftigen. Sie zeigen: Die Darstellung von Krankenhausaufenthalten im Fernsehen kann die Angst vor echten bevorstehenden Operationen schüren, weil Eingriffe häufig mit unvorhergesehenen Komplikationen und Wiederbelebungsmaßnahmen einhergehen. Kurze TV-Klinikaufenthalte – selbst bei Schwerverletzten – und die Tatsache, dass eine danach eintretende Pflegebedürftigkeit fast nie vorkommt, können aber auch Erwartungen an einen flotten und vollständigen Genesungsprozess bei den „echten“ Patienten schüren. Auch Arzt-Patientengespräche und Visiten stellen sich die Seriengucker häufig länger vor.

Absolut krisenfest

Woher das kommt, lässt sich auch am Dienstagabend auf dem ARD-Sendeplatz beobachten. Hier ist für eine Dreiviertelstunde die Welt, oder zumindest das Gesundheitswesen, ziemlich in Ordnung. Hier gab es nie eine Corona-Pandemie. Hier werden keine Medikamente knapp. Viereinhalb Pflegekräfte versorgen rund um die Uhr problemlos alle Patienten, und überhaupt haben Ärzte und Pflegepersonal so viel Zeit, dass sie neben ausführlichen Gesprächen mit Patienten auch noch freie Spitzen haben, um deren Beziehungen und Familienangelegenheiten geradezurücken.

Alle Wege führen in die Notaufnahme

Ein anderes Phänomen, das mir immer wieder auffällt: Hausärzte und der kassenärztliche Bereitschaftsdienst sind bei „In aller Freundschaft“ höchstens eine Randnotiz. Da die Ärzte aus der Sachsenklinik verdächtig oft zufällig zu Stelle sind, wenn sich beim Spaziergang im Park jemand den Fuß verstaucht, auf einer verlassenen Landstraße ein Autofahrer verunglückt oder mitten in der Walachei Leute vom Dach ihres Gartenhäuschens fallen, werden die zu Verarztenden grundsätzlich in eben dieses Krankenhaus geschleppt.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung versucht seit mehreren Jahren, den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst mit der Rufnummer 116 117 in die Köpfe der Menschen zu kriegen, damit Notaufnahmen nicht mehr mit Nicht-Notfällen volllaufen. Solche Konzepte werden von den Drehbuchautoren beim MDR freundlich torpediert – dabei könnte eine so erfolgreiche Serie sicher viel Aufklärungsarbeit leisten.

Erfahrung macht den Unterschied

Stattdessen stellt sich der Trip ins Krankenhaus am Ende eigentlich immer als goldrichtig heraus. Ein Stechen in der Brust oder ein Kopfschmerz arten nämlich regelmäßig in einer seltenen und lebensbedrohlichen Erkrankung aus, die vom Team der Sachsenklinik im Handumdrehen behandelt wird. Überweisung an eine andere Klinik? Unnötig! Das schmerzt mich, weil dadurch der Eindruck entsteht, Ärzte seien prinzipiell Alleskönner und Spezialisierung eher egal. Das Gegenteil ist der Fall: Behandlungsdaten aus der realen Welt zeigen, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, wie erfahren Ärzte mit verschiedenen Behandlungen sind. Das steigert den Behandlungserfolg und senkt die Komplikationsrate.

Glücklicherweise gibt es abseits des Fernseh-Klinikkosmos geniale Erfindungen wie den AOK-Gesundheitsnavigator, quasi eine Suchmaschine für Behandlungsqualität. Hier wird transparent gemacht, welche Kliniken besonders gute Behandlungsergebnisse vorweisen können. Wer vor einer geplanten Operation steht, kann mithilfe des Gesundheitsnavigators eine informierte Entscheidung auf Basis realer Daten treffen und das beste Krankenhaus für sich wählen.

1.000 Folgen in 25 Jahren

Wenn ich die GKV-Brille abnehme, sehe ich natürlich: Es sind nicht die medizinischen Fälle, die „In aller Freundschaft“ so erfolgreich gemacht haben, sondern die Sachsenklinik-Mannschaft mit ihren Charakterköpfen. Ihnen sage ich: Herzlichen Glückwunsch, und auf die nächsten 25 Jahre!

Kommentare (2)

  • Fanboy

    am 07.02.2023 um 14.05 Uhr

    Sehr gut herausgearbeitet. Zumindest gibt es in dieser Serie schon Ärztinnen, die eigene Entscheidungen treffen dürfen. Ich erinnere nur an die Schwarzwaldklinik. Die haben es in den 80ern richtig versaut mit ihrem Rollenbild. Mit dem männlichen teutonischen Chefarzt und der weiblichen netten Krankenschwester.

  • Fangirl

    am 02.02.2023 um 12.38 Uhr

    Was für ein wunderbar kurzweiliger Beitrag!

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