Pflegeversicherung: Bund muss seiner Finanzverantwortung nachkommen
Höhere Beiträge und Entlastungen für Pflegebedürftige: Mit einer Reform will die Regierung auf steigende Kosten in der Pflege reagieren und hat einen Entwurf auf den Weg gebracht.
Kurzinterview mit Fr. Dr. Martina Niemeyer, Vorstandsvorsitzende

Das Bundeskabinett hat in einem Gesetzentwurf zur Unterstützung und Entlastung der Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… (PUEG) Leistungsverbesserungen beschlossen. Demnach sollen die Leistungen in der Pflege dynamisiert und die Pflegekosten in den Heimen gebremst werden. Der Entwurf beinhaltet eine „moderate“ Anhebung des Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte bereits zum 1. Juli 2023 von derzeit 3,05 Prozent auf dann 3,4 Prozent und für Kinderlose von 3,4 Prozent auf vier Prozent. Anspruch auf eine Beitragsentlastung besteht ab dem zweiten Kind. Die Summe der Sozialabgaben läge damit über der 40-Prozentmarke (Sozialgarantie), für Kinderlose sogar über 41 Prozent.
„Wie schon beim GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist die jetzt geplante Beitragssatzanhebung zu kurz gesprungen und sozial gänzlich unausgewogen. Die Refinanzierung der notwendigen Leistungsverbesserungen und Mehrausgaben wird abermals einzig den Beitragszahlenden aufgebürdet“, kritisiert Martina Niemeyer, Vorstandsvorsitzende der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Rheinland-Pfalz/Saarland. „Grundsätzlich bleibt das Versprechen einer nachhaltigen finanziellen Stärkung der Sozialen Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Ihre Aufgabe… durch zusätzliche Bundesmittel weiterhin ungelöst. Diese sind aber dringend erforderlich, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie Ausbildungskosten, Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige oder pandemiebedingten Zusatzkosten zu begleichen.“
Die desolate Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung (Defizit in 2022: 2,25 Milliarden Euro, geschätztes Defizit für 2023: drei Milliarden Euro) wird nach Ansicht der Gesundheitskasse mit den Maßnahmen der Beitragsanhebung nur kurzfristig abgefedert, denn die Zahl der Pflegebedürftigen steigt weiter, während die Zahl der Beitragszahlenden sinkt. Fraglich sei auch, ob die ab 2024 vorgesehenen Leistungsverbesserungen mit der Beitragssatzerhöhung überhaupt finanziert werden könnten, heißt es in der Stellungnahme der AOK.
Weiterhin kritisiert sie, dass innovative Ansätze zur strukturellen Weiterentwicklung gänzlich fehlten, obwohl sich die Ampelregierung im Koalitionsvertrag nicht nur auf Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige, sondern auch auf eine dauerhafte finanzielle Stärkung der sozialen Pflegeversicherung verständigt hätten. Zudem fehlen laut AOK die Refinanzierung der Corona-bedingten Mehrkosten durch den Bund in Höhe von 5,5 Milliarden Euro und die längst geforderte Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die bislang zu 100 Prozent von der Pflegeversicherung, also den Beitragszahlenden, finanziert werden. „Die Pflege ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen“, betont die Gesundheitskasse. „Daher muss die soziale Pflegeversicherung dringend auf neue Füße gestellt werden.“