Public Health
Warum Deutschland jetzt eine echte Präventionswende braucht
Deutschland kämpft mit einer hohen Last vermeidbarer Krankheiten und zahlt dafür einen hohen Preis. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Krebs oder Adipositas nehmen zu – dabei ließe sich ein großer Teil dieser Krankheiten durch bessere politische Rahmenbedingungen wirksam eindämmen. Andere europäische Lände machen vor, wie es geht: Sie betreiben umfassenden Kinder- und Jugendschutz, indem sie Werbung für ungesunde Lebensmittel oder Alkohol einschränken, rauchfreie öffentliche Räume ausweiten und Alkohol nicht für Jugendliche freigeben oder investieren konsequent in Bewegung im Alltag.
In Deutschland dagegen bleibt Prävention oft Appell statt Politik – mit der Folge, dass freiwillige Maßnahmen vor allem jene erreichen, die ohnehin gesundheitsbewusst leben. Während die Kosten der Versorgung auf Rekordniveau steigen und die Lebenserwartung hinter den EU-Durchschnitt zurückfällt, ergreift Deutschland besonders wenig der wirksamsten Präventionsmaßnahmen. Jetzt geht es darum, die Weichen neu zu stellen: weniger Krankheitslast, mehr gesunde Lebensjahre und eine Entlastung der Sozialsysteme und der Wirtschaft sind möglich – wenn Prävention nicht mehr allein als Privatsache verstanden wird, sondern als gemeinsame Aufgabe von Politik, Gesellschaft und Gesundheitswesen.
„Prävention ist nicht nur Privatsache oder eine Frage der Eigenverantwortung, sondern muss politisch umfassend betrachtet werden. Eine Senkung der Krankheitslast lässt sich nicht hauptsächlich auf der individuellen Verhaltensebene erreichen. Die Politik ist gefordert, die gesunde Wahl zur einfacheren und leichteren Wahl im Alltag zu machen und systematisch gesunde Umgebungen zu schaffen. In Sachen mutiger Präventionspolitik können wir sehr viel von unseren europäischen Nachbarn lernen. Deutschland lässt hingegen viel Präventionspotenzial ungenutzt. Wir brauchen endlich eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik, die nicht innerhalb der Grenzen des Sozialgesetzbuchs V verharrt, sondern ressortübergreifend vorangetrieben wird. Das ist der wirksamste Hebel zur langfristigen Stabilisierung des Solidarsystems.“
Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes