Wir müssen Ausgaben begrenzen
Seit Juli ist Oliver Blatt Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes. Handlungsbedarf sieht er unter anderem bei der Finanzierung des Gesundheitssystems, der Krankenhausreform und der ePA.
Die Beitragssätze der Krankenkassen sind auf Rekordniveau, trotzdem drohen weitere Milliardenlöcher. Wie kann die Bunderegierung gegensteuern?
Letztlich ist es doch relativ schlicht: Man darf auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Was wir neben der kostendeckenden Finanzierung versicherungsfremder Leistungen deshalb so dringend kurzfristig benötigen, ist ein Ausgabenmoratorium. Bedeutet konkret: Vergütungen, Budgets und Honorare dürfen nicht stärker steigen als die Einnahmen der GKV. Dadurch würde keine einzige Leistung wegfallen, die Beitragszahlenden und die Wirtschaft würden aber entlastet. Mittel- und langfristig geht an durchgreifenden Strukturreformen in unserem Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… nichts vorbei.
Noch im Herbst soll die Krankenhausreform nachjustiert werden. Welchen Anpassungsbedarf sehen Sie?
Die Grundzüge der Krankenhausreform unterstützen wir. Ich befürchte allerdings, dass der vorliegende Referentenentwurf die Reform verwässert. Wir dürfen nicht von einheitlichen Leistungsgruppen Die Einführung von Leistungsgruppen ist Teil einer umfassenden Krankenhausreform, die der… zur Qualitätssicherung a) Qualitätssicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung: Vertragsärzte, Krankenhäuser und… abweichen und die Vorhaltepauschalen müssen sich am tatsächlichen Versorgungsbedarf orientieren und nicht einfach mit der Gießkanne verteilt werden.
„Mittel- und langfristig geht an durchgreifenden Strukturreformen in unserem Gesundheitswesen nichts vorbei.“

Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes
Die Debatte um ein Primärarztsystems nimmt Fahrt auf. Was spricht für ein solches System?
Eine bessere Steuerung von Patientinnen und Patienten würde einerseits den Erkrankten helfen, andererseits könnten unnötige Arztbesuche reduziert werden. Das ist dringend notwendig, denn allein durch den demografischen Wandel werden künftig mehr Menschen ärztliche Versorgung benötigen, gleichzeitig wird die Anzahl des medizinischen Fachpersonals abnehmen. Wir brauchen also ein gut organisiertes Primärversorgungssystem. Dafür ist eine unabhängige Terminvermittlung unbedingt nötig, die nach medizinischer Dringlichkeit entscheidet und nicht danach, ob man gesetzlich oder privat versichert ist.
Die ePA ist flächendeckend eingeführt, wird aber noch nicht von sehr vielen Versicherten aktiv genutzt. Wie sind die Erfolgsaussichten für dieses Digitalisierungsprojekt?
Die Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… haben in kurzer Zeit termingerecht über 70 Millionen elektronische Patientenakten angelegt und die Versicherten darüber informiert. Jetzt geht es darum, die Akzeptanz und den praktischen Nutzen weiter zu erhöhen, damit die ePA tatsächlich in der Breite ankommt. Ab 1. Oktober sind alle Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, neue Diagnosen und Befunde in der ePA abzulegen - das wird einen weiteren wichtigen Schub geben.
Auch in der Pflegeversicherung besteht akuter Handlungsbedarf. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis Ende des Jahres Eckpunkte vorlegen. Welche Aspekte dürfen dann nicht fehlen?
Zuallererst muss der Bund der Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Ihre Aufgabe… die Gelder zurückzahlen, die die Beitragszahlenden zu Unrecht schultern müssen. Es ist keine Aufgabe der Pflegeversicherung, Pandemiekosten und Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige zu bezahlen. Und mit Blick auf die steigenden Eigenanteile in der vollstationären Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… gilt: Die Länder müssen endlich ihren gesetzlichen Zahlungspflichten für die Investitionskosten nachkommen. Wenn das der Fall wäre, müsste jeder vollstationär Pflegebedürftige 500 Euro im Monat weniger bezahlen.