Verordnungen von Reserveantibiotika in Westfalen-Lippe sinken weiter
Dennoch: „Wunderwaffe“ gegen Infektionskrankheiten nicht zu oft einsetzen
Dortmund. Der Anteil der verordneten Reserveantibiotika ist in Westfalen-Lippe weiter gesunken und hat einen neuen Tiefstand erreicht. So entfielen im Jahr 2022 insgesamt 42 Prozent der Antibiotikaverordnungen auf Reserveantibiotika. Im Vorjahr lag der Anteil bei 45 Prozent. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Als Reserveantibiotika werden Antibiotika bezeichnet, die für einen Einsatz mit strenger Indikation vorgesehen sind. Sie sollen nur dann verwendet werden, wenn Standardantibiotika nicht mehr helfen, beispielsweise bei Infektionen mit Bakterien, die gegen die gängigen Antibiotika resistent sind. „Trotz des grundsätzlich positiven Trends werden Reserveantibiotika immer noch zu oft verordnet. Das Pulver sollte nicht verschossen werden. Reserveantibiotika werden dringend gebraucht, wenn Resistenzen bei herkömmlichen Antibiotika auftreten“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest. Das Problem der Antibiotika-Resistenzen werde noch dadurch vergrößert, dass die pharmazeutische Industrie in den letzten Jahren nur wenige neue Antibiotika auf den Markt gebracht habe.
„Je sorgloser Antibiotika verordnet werden, desto häufiger werden Bakterien dagegen resistent.“
AOK-Vorstandsvorsitzender
Resistenzen vermeiden
Der Verordnungsanteil von Reserveantibiotika ist in Westfalen-Lippe seit Jahren kontinuierlich rückläufig. So ist im Vergleich zu 57 Prozent im Jahr 2013 ein Rückgang der Verordnungen auf 42 Prozent in 2022 festzustellen. Damit entfiel dennoch fast jede zweite Antibiotikaverordnung auf ein Reserveantibiotikum. Insgesamt wurden im Jahr 2022 rund 1,33 Millionen Packungen Reserveantibiotika für gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten verordnet. Dies ist aus Expertensicht nach wie vor problematisch, da diese Medikamente eigentlich nur Mittel der zweiten Wahl darstellen für deren Einsatz eine strenge Indikation vorgesehen ist. „Je sorgloser Antibiotika verordnet werden, desto häufiger werden Bakterien dagegen resistent. Die einstigen Wunderwaffen gegen Infektionskrankheiten werden durch ihren starken Einsatz zunehmend stumpfer“, so AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Chef Ackermann. Dabei ist zu beachten, dass Antibiotika sowieso nur gegen bakterielle Infektionen wirken und völlig unwirksam sind, wenn eine Infektion durch Viren ausgelöst wurde.
Abweichen von Standardtherapie könnte Situation verschärfen
Auch die in den letzten Jahren häufig berichteten Lieferengpässe bei ausgewählten Antibiotika könnten die angespannte Situation weiter verschärfen. Vor allem von den Engpässen betroffen waren Standardantibiotika wie Amoxicillin, Phenoxymethylpenicillin und Ampicillin, aber auch Reserveantibiotika wie Cotrimoxazol und Cefaclor. Damit in Deutschland auch weiterhin ein Versorgungsengpass bei Antibiotika vermieden werden könne, müsse der Gesetzgeber durch ein verpflichtendes Meldeverfahren von pharmazeutischen Herstellern, Großhändlern und Apotheken für eine lückenlose Transparenz über die komplette Lieferkette für Antibiotika und andere Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… sorgen.
Neue Wirkstoffe werden benötigt
Der AOK-Chef weist anlässlich der aktuellen Auswertung darauf hin, dass neben einer zurückhaltenden Verordnung Einige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfen einer schriftlichen Anweisung durch… auch Wirkstoffe mit neuen Wirkprinzipien benötigt werden, die in der Lage sind, die gegebenen Resistenzen zu überwinden. Allerdings scheint der betriebswirtschaftliche Anreiz zu fehlen: „Die Pharmaindustrie fokussiert sich lieber auf Wirkstoffe, mit denen noch höhere Preise und noch höhere Umsätze erzielt werden können.“ Um hier gegenzusteuern, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2018 bis zu 500 Millionen Euro für zehn Jahre bereitgestellt, mit denen unter anderem die Entwicklung neuer Antibiotika unterstützt werden soll. „Diese öffentliche Förderung wird hoffentlich helfen, innovative Arzneimittel an den Start zu bringen. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die öffentliche Hand bei diesen Wirkstoffen nicht doppelt zur Kasse gebeten wird – einmal für die Forschungsförderung und andererseits für die von der pharmazeutischen Industrie aufgerufenen hohen Preise“, so Ackermann.
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