Anstieg der Behandlungsfehler in Westfalen-Lippe – Ampel-Koalition muss handeln
AOK-Chef Tom Ackermann fordert offene Fehlerkultur im Gesundheitswesen
Dortmund. Die Anzahl der Verdachtsfälle auf einen medizinischen Behandlungsfehler sind in Westfalen-Lippe in 2023 wieder deutlich gestiegen. Nach einer aktuellen Auswertung der AOK NordWest bei ihren Versicherten wurde in 682 Fällen ein Verdacht geäußert, der weiterverfolgt wurde. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren es lediglich 595 Fälle. AOK-Vorstandschef Tom Ackermann weist darauf hin, dass viele Patientinnen und Patienten nach wie vor Probleme haben, ihre Rechte durchzusetzen, wenn sie vermuten, Opfer eines Behandlungsfehlers oder Schadens durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt oder ein Arzneimittel zu sein. „Die Bundesregierung muss dringend handeln und das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben zur Weiterentwicklung des Patientenrechtegesetzes von 2013 im Sinne der Patientinnen und Patienten endlich umsetzen“, so Ackermann. Für den AOK-Chef müssen für die Stärkung der Patientenrechte endlich der Nachweis der Kausalität von Behandlungsfehlern erleichtert werden, die Dauer des Verfahrens verkürzt sowie eine Haftpflichtversicherung verpflichtend für alle Behandelnden im Gesundheitswesen eingeführt werden. Zudem fordert Ackermann eine offene Fehlerkultur in allen Bereichen des Gesundheitswesens.
„Wir brauchen eine offene Fehlerkultur in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens.“
Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest
Mehr als 1.800 AOK-Versicherte mit Verdacht auf Behandlungsfehler
Insgesamt 1.805 AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Versicherte in Westfalen-Lippe haben allein in den letzten drei Jahren den Verdacht auf einen Behandlungsfehler Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn eine medizinische Behandlung nicht nach den zum Zeitpunkt der… bei ihrer Krankenkasse vorgetragen. Dies war vor allem in den operativen Fachrichtungen wie Chirurgie, Orthopädie und Gynäkologie aber auch in der Zahnheilkunde der Fall. Hier hilft die AOK NordWest ihren Versicherten mit einer fachkundigen Beratung durch Experten und Medizinern. „Damit stärken wir die Rechte der Patienten und profilieren uns als Anwalt unserer Versicherten“, so Ackermann.
20 Prozent der Verdachtsfälle sind Behandlungsfehler
Die AOK-Experten fordern zum Beispiel Behandlungsunterlagen an, koordinieren externe Gutachten und bewerten diese, fertigen selbst welche an und stellen diese den Versicherten kostenfrei zur Verfügung. In rund 80 Prozent der Fälle wird kein beweisbarer Medizinschaden festgestellt oder es handelt sich um einen unberechtigten Vorwurf. Hier unterstützt die AOK die Ärzte oder sonstigen Behandler bei der Aufklärung der Patienten. In rund 20 Prozent der Fälle handelt es sich jedoch um einen Behandlungsfehler. Wenn Vergleichsverhandlungen der AOK mit den Haftpflichtversicherern scheitern, wird der Klageweg beschritten. Dabei darf die AOK nur ihre eigenen Ansprüche geltend machen. Allein in den vergangenen drei Jahren hat die AOK NordWest in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein gerichtlich oder im Vergleich mit Haftpflichtversicherern insgesamt über 11,7 Millionen Euro erfolgreich durchgesetzt.
Nur bei groben Behandlungsfehlern gilt die Beweislastumkehr
Wird ein Behandlungsfehler vermutet, liegt die Beweislast grundsätzlich beim Behandelten. Dieser muss beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dadurch ein Gesundheitsschaden eingetreten ist. Nur bei groben Behandlungsfehlern gilt die Beweislastumkehr. Dann hat der Behandelnde den Nachweis zu erbringen, dass sein Fehler nicht ursächlich für den gesundheitlichen Schaden ist. Um das bestehende prozessuale Ungleichgewicht zugunsten der Patienten aufzuheben, sollte nach Ansicht von Expertinnen und Experten der Beweis für die Kausalität zwischen Fehler und Schaden künftig als geführt gelten, wenn diese überwiegend wahrscheinlich ist. In vielen Ländern, etwa Großbritannien und Österreich, ist dies längst umgesetzt. Außerdem sind zumindest dann Sanktionen erforderlich, wenn Patienten ihre bereits gesetzlich verankerten Rechte noch immer nicht oder nur erschwert durchsetzen können, wie die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen.
Offene Fehlerkultur in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens
Insgesamt gilt es aus Sicht Ackermanns, Behandlungs- und Pflegefehler sowie kritische Ereignisse noch stärker als bisher als Quelle von Lernprozessen zu nutzen. „Dazu braucht es einen optimierten Zugang zu Verdachts- und Schadensfällen und eine offene Fehlerkultur in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens.“
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