FAKTOR 2/2025> Patientenwege effizient steuern

Die AOK-Gemeinschaft setzt sich für einen bedarfsgerechten Zugang zur Versorgung für Patientinnen und Patienten ein. Ziel ist es, mehr Effizienz im System durch gezielte Steuerung zu erreichen.
Die Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems sowie die inhaltliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Primärversorgung rücken immer mehr in den Fokus der politischen Debatte. Seit Jahren fordern Sachverständige mehr Koordination und Steuerung im deutschen Gesundheitssystem. In einem Punkt herrscht Einigkeit: Die Überkomplexität des Systems überfordert Patientinnen und Patienten. Die Folgen sind für alle spürbar: Überfüllte Notaufnahmen, unnötige Krankenhausaufenthalte und Mehrfachuntersuchungen sowie lange Wartezeiten auf Facharzttermine. Ineffiziente Strukturen tragen maßgeblich dazu bei, dass die Ausgaben zwar immer stärker steigen, die Versorgung sich aber nicht verbessert.
„Ein verbindliches Primärarztsystem würde Abhilfe schaffen“, meint Bernd Marchlowitz, Unternehmensbereichsleiter Ambulante Versorgung bei der AOK NordWest. „Dabei folgen wir als AOK-Gemeinschaft einem klaren Prinzip: ‚Die richtige Behandlung, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.‘“
„Eine strukturierte Einschätzung würde helfen, den Behandlungsbedarf richtig einzuordnen und gleich die richtige Versorgungsebene anzusteuern.“

Unternehmensbereichsleiter Ambulante Versorgung bei der AOK NordWest
Aber was muss sich konkret ändern? Aktuell müssen Patientinnen und Patienten bei medizinischen Fragen selbst einschätzen, ob es sich um einen Akutfall oder einen Notfall handelt und an welcher Stelle sie mit ihrem Anliegen richtig aufgehoben sind. „Eine strukturierte Einschätzung würde helfen, den Behandlungsbedarf richtig einzuordnen und gleich die richtige Versorgungsebene anzusteuern,“ erläutert Marchlowitz. Eine solche Ersteinschätzung könnte z. B. über eine Akutleitstelle (116 117) oder in einer Primärarztpraxis erfolgen. Dort wird dann auch entschieden, ob fachärztliche Behandlung notwendig ist. Für diese wäre dann eine Überweisung erforderlich. „Eine solche Steuerung würde Fehlversorgungen abbauen und Wartezeiten deutlich reduzieren“, ist Marchlowitz überzeugt. Sonderregelungen empfiehlt er für den Direktzugang für Kinder- und Jugendärzte sowie Gynäkologen. Auch für chronisch Kranke mit einem hohen Bedarf an regelmäßigen Facharztkontakten sei der direkte Zugang weiterhin sinnvoll. Dasselbe sollte für die Inanspruchnahme von fachärztlichen Leistungen im Rahmen der Früherkennung gelten.
“Damit der Umstieg gelingt, schlagen wir vor, die klassische Hausarztpraxis zu einer modernen Primärversorgungspraxis weiterzuentwickeln. Dort arbeiten Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit Pflegefachpersonen und Physician Assistants in interprofessionellen Teams“, so Marchlowitz. Er hält es deshalb für notwendig, dass der Gemeinsame Bundesausschuss Mindeststandards für einen neuen Versorgungsauftrag für die Primärversorgung definiere.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Primärversorgung bei freier Arztwahl sowohl in der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) als auch im Kollektivvertrag umgesetzt werden soll. „Ein flächendeckender Aufbau eines verbindlichen Primärarztsystems lässt sich aber nur über die Regelversorgung erreichen,“ meint Marchlowitz. „Um die Chancen der HzV besser zu nutzen und gleichzeitig die Regelversorgung zu stärken, braucht es eine Reform des Vertragsrechts mit einer Freiwilligkeit auf beiden Seiten.“
Der bedarfsgerechte Zugang durch mehr Steuerung komme auch weiteren gesetzgeberische Vorhaben zugute. „Wenn beispielsweise durch die Krankenhausreform erreicht werden soll, dass ambulant behandelbare Fälle tatsächlich in der ambulanten Versorgung landen, müssen ambulante Strukturen wirkungsvoll gestärkt werden.“, fordert Marchlowitz. Deshalb müsse die Umsetzung der Notfallreform im Einklang zur Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems erfolgen, um die Infrastruktur zur Ersteinschätzung und Terminvermittlung in die verschiedenen Versorgungswege zu integrieren.