Hintergrund

Polit-Talk: Große Einigkeit bei den wichtigsten Gesundheitsthemen

Wie sieht ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem in Brandenburg aus? Darüber diskutierten beim AOK-Forum live am 18. Juni 2024 Vertreterinnen und Vertreter der Brandenburger Gesundheitspolitik. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher plädierte für einen stärkeren Präventionsansatz in der Versorgung.

Auf einer leicht erhöhten Bühne sitzen vier Männer und eine Frau nebeneinander. Der Mann am rechten Rand hält ein Mikrofon in der Hand.

Juni 2024 | Krankenhausreform, Digitalisierung, die Sicherung der Versorgung im ländlichen Raum – das sind die drängenden Themen des Gesundheitswesens. Beim Polittalk AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Forum live diskutierten am 18. Juni 2024 die Vertreterinnen und Vertreter der demokratischen Parteien unter dem Titel „Brandenburg hat die Wahl: Für eine gerechte Gesundheitsversorgung mit Zukunft!“ über die Herausforderungen und Chancen des Gesundheitswesens in Brandenburg. 

Im Alten Rathaus in Potsdam, in Blickweite zum Brandenburger Landtag, eröffnete Prof. Dr. Stefan Heinemann, Professor für Wirtschaftsethik an der FOM Hochschule in Essen und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der AOK Nordost, in einer Keynote eine etwas andere Perspektive auf das Thema Gesundheitsversorgung. „Unsere Mortalität Mortalität beziehungsweise Sterblichkeit oder Sterberate ist ein statistischer Grundbegriff aus der… liegt bei 100 Prozent. Wir sind alle sterblich. Deswegen wird jeder von uns ein Thema mit Gesundheit haben“, leitete der Theologe halb im Scherz ein. Eine faire und gerechte Gesundheitsversorgung lese sich zwar auf dem Papier gut, aber den steigenden Bedarfen stünden gleichbleibende oder sogar schwindende Ressourcen gegenüber. Die Komplexität des deutschen Systems sei nur mit neuen Strukturen zu bewerkstelligen – „Digitalisierung wäre ein Weg“, so Heinemann. Kassen sollten dabei zukünftig eher als „Health Data Trust Hubs“ verstanden werden, in der Künstliche Intelligenz temperiert eingesetzt eine gute Sache sei. „Mehr Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… , faire Strukturen, starke Kassen und keine Sektorengrenzen“, fasste Stefan Heinemann seine Vorstellung einer guten Gesundheitsversorgung zusammen. Die Veränderungen seien aber jetzt zwingend notwendig – denn in 20 Jahren sei es zu spät.

Wie wollen die Menschen in Brandenburg versorgt werden?

In der anschließenden Podiumsdiskussion herrschte Einigkeit, was die größten Herausforderungen des Gesundheitssystems betrifft – und wie verflochten diese miteinander sind. Durch den gesamten Abend zog sich die Frage: Wie wollen und müssen die Brandenburgerinnen und Brandenburger versorgt werden? Dabei spielten die Krankenhausreform, die Frage, wie die Versorgung im ländlichen Raum zu organisieren ist und wie Digitalisierung ein Hebel dabei sein kann, die zentrale Rolle. Für Carla Kniestedt, gesundheitspolitische Sprecherin vom BÜNDNIS 90/Grünen, sei es jedoch auch wichtig, „schnell von Gesundheitsregionen zu sprechen und nicht nur von den Krankenhäusern.“ Dabei sei es auch zwingend notwendig, dass Häuser in einer Region ganz unabhängig vom Träger miteinander kooperieren.

Die Verantwortung der Politik sieht Daniel Keller, Fraktionsvorsitzender und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD, vor allem darin, den Menschen die Veränderungen zu erklären. Carla Kniestedt ergänzte: „Die Menschen im ländlichen Raum müssen wissen, was im Falle des Falles passiert. Wie brauchen das Vertrauen der Leute, dass sie gut versorgt sind.“ Kritik am aktuellen Geschehen kam dabei von Ronny Kretzschmar von der Fraktion Die LINKE und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz: „Momentan sehe ich hier keinen strukturierten Prozess, sondern einen Wettlauf, wer überlebt. Was die Bevölkerung jetzt erlebt, ist, dass sie den Entscheidungen ausgesetzt werden und keine Diskussion erkennen können, ob es sinnvoll ist einen Krankenhausstandort zu schließen oder nicht. Das führt zu Frust.“

Eine rechtliche Grundlage für die sektorenunabhängige Versorgung zu schaffen, wie sie auch von der AOK-Gemeinschaft gefordert wird, sieht Daniel Keller als „längst überfällig“ an. Ferner äußert er sich besorgt über die Zukunft der GKV-Finanzen. Den geplanten Transformationsfonds, der zu Hälfte von den Kassen getragen werden soll, sehe er sehr kritisch. „Man hat sich bereits in den vergangenen Jahren an den Rücklagen der Kassen bedient, Das finde ich ein Stück weit unvertretbar“, so Keller.

Der Pakt für Pflege muss verstetigt werden

Aber nicht nur die Versorgung im Akut- oder Notfall In Notfällen gewährleistet der Rettungsdienst lebensrettende Maßnahmen und den Transport kranker und… – oder wie Daniel Keller zu bedenken gab „Es ist nicht vertretbar, dass ein Schlaganfallpatient auf dem Land anders behandelt wird, als in der Stadt.“ – sondern auch das Thema Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… werde in Zukunft immer wichtiger werden. Die Diskutierenden waren sich einig: Wichtig sei, den Pakt für Pflege weiter zu verstetigen, „Pflege ist eine genauso eine kommunale Aufgabe“, sagte Daniel Keller. Und Prof. Dr. Michael von Schierack, Sprecher für Wissenschaft, Forschung und Gesundheit in der CDU-Fraktion ergänzte: „Wir müssen die steigenden Kosten für die Pflege in den Blick nehmen und uns fragen: Was kann das Land leisten? Und was der Bund?“

Die Wichtigkeit der Digitalisierung, insbesondere mit Blick auf die Versorgung im ländlichen Raum, wurde dabei ebenso konsensual diskutiert, wie die Schaffung einer Universitätsmedizin in Cottbus, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken. 

Persönliche Bilanz und Aufruf zu mehr Prävention

Anschließend zog Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher eine persönliche Bilanz der vergangenen Jahre. „Die gesamte Legislaturperiode war von großen Krisen geprägt. In der Pandemie haben wir eine riesige Impfkampagne umgesetzt, die Afrikanische Schweinepest, der Krieg in der Ukraine, durch den mehr als 60.000 Geflüchtete nach Brandenburg kamen – wir haben die ganze Zeit Krisen abgefedert und Rettungspakete geschnürt“, so Nonnemacher. Deswegen sei sie in gewisser Weise frustriert und verärgert, dass es eine so große Unzufriedenheit gebe, obwohl so viel geleistet worden ist. „Es ist schwer, auf reine Panikmache mit Politik zu reagieren.“ Bei der Krankenhausreform sehe sie es als zentral an, dass die Länder diese gut begleiten und gut umsetzen. Große Sorgen mache ihr allerdings die Rückständigkeit in der Prävention. „Das ist alles keine Raketenwissenschaft. Die fünf wichtigsten Punkte zum Schutz vor koronaren Herzerkrankungen sind sehr einfach umzusetzen, aber wir fallen bei der Lebenserwartung schon jetzt zurück. Daran muss sich ganz dringend etwas ändern, sonst können wir die Versorgung irgendwann nicht mehr bewerkstelligen“, sagte die ehemalige Notfallmedizinerin Ursula Nonnemacher. 

Eine echt integrierte Versorgung muss das Ziel sein

Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, forderte in ihrem Schlusswort neue Antworten auf die Fragen, die das Gesundheitssystem beschäftigen. Jedoch sei ihrer Meinung nach nicht die Krankenhausreform die Lösung, sondern es sei notwendig die gesamte Gesundheitsversorgung integriert zu denken. Wichtig sei es dabei, die vorhandenen Daten zu nutzen. „Wir müssen endlich die Daten für eine Bedarfsplanung nutzen“, sagte Daniela Teichert und zog damit den Bogen zur Keynote von Prof. Dr. Stefan Heinemann. Die Digitalisierung habe für sie die große Chance, die Versorgung der Zukunft mit weniger Ressourcen zu sichern. Künstliche Intelligenz spiele dabei eine Rolle. „Das kann eine echte Chance für eine individualisierte Medizin sein.“

Die AOK Nordost hat als eine der ersten Krankenkassen bereits Ende 2016 zur Begleitung der digitalen Transformation einen Wissenschaftlichen Beirat gegründet. Der Beirat soll die AOK Nordost unparteiisch und kritisch zu Entwicklungen der digitalen Transformation beraten. Dabei geht es um ethische, rechtliche sowie technologische Fragen. In seiner…