„Jammern bringt uns nicht weiter“
Seit Monaten wird über eine Reform des Krankenhausbereichs diskutiert. Welche Position beziehen die Praktiker vor Ort? Dazu äußert sich Thomas Menzel, Vorstandssprecher des Klinikums Fulda, Vizepräsident der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG) und Vorstandsvorsitzender der Allianz Kommunaler Großkliniken (AKG).
Obwohl der Reformbedarf in der stationären Versorgung unbestritten ist, stocken die Verhandlungen zur Krankenhausreform. Wie blicken Sie aus Sicht einer kommunalen Großklinik auf die aktuelle Diskussion?
Die finanzielle Lage vieler Krankenhäuser ist prekär. Die stationäre Versorgung als unverzichtbarer Teil der Daseinsfürsorge darf nicht zusammenbrechen. Aber mehr Geld, das ins bestehende System fließt, darf nicht dazu führen, dass alles so bleibt, wie es ist. Mit der sprichwörtlichen Gießkanne allen Krankenhäusern an allen Standorten zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, würde das bestehende – in Teilen insuffiziente – System nur perpetuieren. Vor allem aber ist die Zeit vorüber, in der wir den Fortbestand struktureller Probleme mit immer mehr Geld finanzieren, anstatt die Probleme durch die Verbesserung der Strukturen nachhaltig zu lösen.
Sie haben kürzlich gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband an führende Gesundheitspolitiker appelliert, Änderungen an der geplanten Einführung der Vorhaltefinanzierung vorzunehmen. Was ist Ihnen hier besonders wichtig?
Dass wir das Pferd vom Kopf und nicht vom Schwanz her aufzäumen. Wir müssen die Verteilung der Vorhaltefinanzierung sowie deren Auszahlung an die Krankenhäuser fallunabhängig gestalten. In Verbindung mit der Leistungsgruppen-Zuordnung brauchen wir eine sachgerechte Verknüpfung zur Struktur der jeweils zu versorgenden Bevölkerung und eine Konzentration der Leistungen auf die Krankenhäuser, die sowohl die vom Land festgestellten strukturellen Voraussetzungen als auch die qualitativen Vorgaben erfüllen.
Die AKG-Kliniken setzen sich deshalb – gemeinsam mit dem AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Bundesverband – für eine bedarfs- und aufwandsgerechte Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung ein. Dazu haben wir konkrete Vorschläge vorgelegt.
Der zunehmende Fachkräftemangel, der Ambulantisierungsdruck, sinkende Fallzahlen und niedrige Investitionen setzen die Krankenhäuser unter Druck. Welchen strukturellen Reformbedarf im Krankenhausbereich sehen Sie?
Einen fundamentalen – und nicht nur für den Krankenhausbereich. Das Jammern über die jeweils aktuellen Probleme bringt uns da nicht weiter. Die grundlegenden Strukturen unser Gesundheitsversorgung stammen aus dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Das gesamte System ist endlich auf die Zukunft auszurichten. Welche Krankheiten werden uns in zehn, 20 oder 30 Jahren herausfordern? Welchen Fortschritt können wir von der Medizin erwarten? Wie werden wir diesen Fortschritt in den Dienst aller Menschen stellen können – unabhängig von ihrem Wohnort und ihren materiellen Möglichkeiten? Wir werden das Leitbild einer guten Versorgung in der Zukunft zeichnen. Dann erst reden wir übers Geld, von dem es stets zu wenig geben wird. Darum wird es immer ethisch sein, die knappen Mittel effizient einzusetzen.
Die Hessische Landesregierung steht. Welche Erwartungen haben Sie an die neue Gesundheitsministerin Stolz?
In Hessen haben die Planungen zur Umsetzung der erwarteten Krankenhausreform bereits in der letzten Legislaturperiode begonnen – anders als im Bund erfreulicherweise unter Einbeziehung aller Stakeholder. Dieser Prozess sollte zügig fortgeführt werden, damit die hessischen Krankenhäuser und auch die Kostenträger rasch Planungssicherheit bekommen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Erhöhung der Investitionskostenfinanzierung des Landes ist ein weiteres wichtiges Thema. Ich hoffe, dass Staatsministerin Stolz sich erfolgreich dafür einsetzt, dass die avisierte Summe von 550 Millionen Euro schon im Haushalt 2025 abgebildet wird.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.