Interview Versorgung

Mundgesundheit durch Prophylaxe

08.09.2025 Ulrike Serbent 3 Min. Lesedauer

Die Prävention in Zahnmedizin wirkt. Das geht aus der 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS 6) hervor. Demnach habe sich die Mundgesundheit bei Kindern und Erwachsenen seit der Einführung der systematischen Prophylaxe in den 1990er Jahren deutlich verbessert. Dr. Rebecca Otto, Kinderzahnärztin mit eigener Praxis in Jena, Referentin für Kinderzahnheilkunde und Praxisorganisation sowie Präsidentin von Dentista und Co-Vorsitzende von Spitzenfrauengesundheit, fordert lebenslange Vorsorge.

Auf einem Zahnarztstuhl sitzt ein Mann, während ihn die Zahnärztin behandelt.
Die Prävention wird zukünftig im Zahnarztberuf eine größere Rolle spielen.
Dr. Rebecca Otto, Kinderzahnärztin mit eigener Praxis in Jena, Referentin für Kinderzahnheilkunde und Praxisorganisation sowie Präsidentin von Dentista und Co-Vorsitzende von Spitzenfrauengesundheit
Dr. Rebecca Otto, Kinderzahnärztin, Referentin für Kinderzahnheilkunde und Praxisorganisation sowie Präsidentin von Dentista und Co-Vorsitzende von Spitzenfrauengesundheit

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Studie? Wie steht es um die Mundgesundheit in Deutschland?

Dr. Rebecca Otto: Die DMS 6 zeigt einen beeindruckenden Rückgang der Kariesinzidenz bei Kindern um 90 Prozent seit der Einführung systematischer Prophylaxe in den 1990er-Jahren. Außerdem ist die Zahnlosigkeit bei jüngeren Erwachsenen praktisch eliminiert, und der Anteil zahnloser Seniorinnen und Senioren in der Altersgruppe von 65 bis 74 Jahren hat sich um 80 Prozent reduziert. Die Erfolge der zahnmedizinischen Prävention können wir also bei allen Altersgruppen sehen. Dies führt nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit, sondern auch zu einer spürbaren Senkung der Krankheitskosten für Kariesbehandlungen.

Welche Einflüsse haben soziale Faktoren?

Otto: Trotz insgesamt rückläufiger Karieserkrankungen zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Zahngesundheit und Bildung. Schon bei Kindern ist das Risiko unbehandelter Schäden in Familien mit niedrigem Bildungsniveau etwa viermal höher als bei privilegierten Gruppen. Diese Unterschiede ziehen sich bis ins hohe Alter und reichen bis zur Zahnlosigkeit im Seniorenalter. Für die Prävention bedeutet das: Entscheidend ist, Zielgruppen zu erreichen, die bislang kaum profitieren – vor allem Kinder aus bildungsfernen Haushalten sowie Menschen mit Migrationshintergrund, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind. Präventionsmaßnahmen sollten daher stärker an deren Lebenswelten anknüpfen.

Wie entwickeln sich Karies und Zahnbetterkrankungen?

Otto: Karies entsteht durch das Zusammenspiel von Bakterien, unzureichender Mundhygiene und zuckerreicher Ernährung. Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich Schäden heute durch gezielte Maßnahmen verhindern oder in frühen Stadien stoppen.

Parodontitis, oft als „Parodontose“ bezeichnet, ist eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparats. Sie wird durch bakterielle Beläge ausgelöst und kann über Jahre, manchmal aber auch sehr schnell, Gewebe und Knochen zerstören. Entscheidend ist: Ohne Bakterien entsteht keine Parodontitis. Bei anfälligen Personen führt eine Fehlsteuerung der Immunabwehr schließlich zum Abbau des gesamten Zahnhalteapparates.

„Die Patienten sollten als aktive Partner in ihrer Mundgesundheit betrachtet werden. “

Dr. Rebecca Otto

Zahnärztin und Präsidentin von Dentista

Welche Herausforderungen gibt es, insbesondere im Bereich der Parodontitis?

Otto: Trotz der Erfolge in der Kariesprophylaxe zeigt die Studie, dass Parodontitis bei älteren Menschen zur größten Herausforderung wurde. In dieser Altersgruppe haben vor allem die Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein höheres Risiko für Zahnverlust und schwere Parodontitis, was einen klaren Zusammenhang zwischen Mund- und Allgemeingesundheit verdeutlicht.

Was muss passieren?

Otto: Wir fordern lebenslange Prävention, die von der Kindheit bis ins hohe Alter reicht. Außerdem ist es entscheidend, Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten gezielt in zahnmedizinische Präventionsprogramme zu integrieren. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnmedizin, Allgemeinmedizin und Kardiologie ist dabei unerlässlich.

Foto: Ein älterer Mann steht lachend und zähneputzend vor dem Spiegel im Badezimmer, eine ältere Frau schaut ihm zu.
Gesunde Zähne senken das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen, verbessern die Nahrungsaufnahme und unterstützen soziale Kontakte von Seniorinnen und Senioren. Die zahnärztliche Versorgung dieser Altersgruppe erfordert besondere Strategien.
18.06.2025Annett Neukampf3 Min

Welche spezifischen Maßnahmen empfehlen Sie?

Otto: Regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchungen sind wichtig, auch wenn keine Beschwerden vorliegen. Zudem sollte die Aufklärung über den Zusammenhang zwischen Parodontitis und systemischen Erkrankungen gefördert werden. Patientinnen und Patienten müssen verstehen, dass ihre Mundgesundheit auch Auswirkungen auf ihre allgemeine Gesundheit hat.

Wohin entwickelt sich die Zahnmedizin in Anbetracht dieser Erkenntnisse? Ist das Bild des bohrenden Zahnarztes noch zeitgemäß?

Otto: Ich denke, das Berufsbild des Zahnarztes wird sich weiterentwickeln. Statt sich nur – wie schon in den letzten Jahrzenten – auf Behandlungen zu konzentrieren, wird die Prävention eine zunehmend zentrale Rolle spielen. Die Patienten sollten als aktive Partner in ihrer Mundgesundheit betrachtet werden. Die Zahnmedizin wandelt sich in Richtung einer proaktiven Gesundheitsvorsorge. Prävention wirkt, und ich hoffe, dass wir gemeinsam die Mundgesundheit in Deutschland weiter verbessern können.

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