Klimawandel: Wenn Kliniken selbst zum Katastrophenfall werden
Strom für medizinisches Gerät, Licht und die Datenverarbeitung, dazu muss ausreichend geheizt werden: Auch Krankenhäuser erzeugen CO2 und tragen zum Klimawandel bei. Was Kliniken dagegen tun können, darüber hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bereits 2022 informiert. Was aber, wenn eine Klinik selbst „Opfer“ wird, weil etwa ein klimabedingtes Extremwetterereignis über sie hereinbricht? Darum ging es am vergangenen Montag (12. Mai) auf einem DKG-Symposium zum „Klimaschutz im Krankenhaus“.

Die Hochwasserschäden am Sankt-Antonius-Hospital in Eschweiler waren erheblich. Genauso wie die Bewohner im Ahrtal von der Wucht der Flutwelle im Juli 2021 im nordwestlichen Rheinland-Pfalz überrascht wurden, ging es den Bewohnern von Eschweiler im westlichen Nordrhein-Westfalen, als die Inde von einer auf die andere Minute über die Ufer trat. Beide Tiefkeller des Krankenhauses waren überflutet. „Wir hatten noch ungefähr zehn Zentimeter, dann wäre das Erdgeschoss auch geflutet gewesen“, beschreibt Elmar Wagenbach, Geschäftsführer des Sankt Antonius Hospitals, das Ergebnis der Schreckensnacht.
Der Transport vom und zum Krankenhaus sei extrem schwierig gewesen. Rotes Kreuz und Feuerwehr hätten Unimogs einsetzen müssen, um sich überhaupt den Weg bahnen zu können, nicht nur um Material anzuliefern, sondern auch um den Personalwechsel zu organisieren. „Über normale Fahrzeuge konnte man das Sankt-Antonius-Hospital nicht mehr erreichen – nur noch mit schwerem Gerät, und das war auch nicht ganz ungefährlich, weil man nicht gesehen hat, ob vielleicht der eine oder andere Kanaldeckel sich noch dort befindet, wo er vorher war.“
Kein Strom, kein Wasser, nichts!
Noch in der Nacht hatte die Klinikleitung entschieden „das Haus aufzugeben“. Die Situation war offensichtlich verheerend. „Das Haus hatte keinen Strom, keine EDV, keine Druckluft, kein Vakuum, kein Sauerstoff, kein Wasser, nichts! Alles, was im Keller war an Infrastruktur, war komplett zerstört“, schildert Wagenbach die Schadenslage wenige Stunden nach der Flutwelle vom Abend zuvor. Diejenigen, die in Katastrophenfällen eigentlich eine der ersten Anlaufstellen für Betroffene sind, waren selbst handlungsunfähig.
Am nächsten Tag wurde das Sankt-Antonius-Hospital komplett evakuiert. Ausgerechnet die Covid-19-Pandemie, die damals fast die ganze Welt in Atem hielt, hat diese Evakuierung sogar etwas erleichtert. „Wir hatten aufgrund der Corona-Krise ‚nur‘ knapp 300 Patienten im Haus, davon 15 auf der Intensiv-Station“, beschreibt Wagenbach die äußeren Umstände. Allerdings war für Letztere die Situation dann doch nicht so leicht. „In der Nacht, haben wir direkt Rettungshubschrauber bestellt, die leider nicht gekommen sind.“
Zu dem Zeitpunkt wusste offenbar niemand in Eschweiler von der zeitgleichen Katastrophe im Ahrtal. „Das war für uns vollkommen unverständlich, dass wir bei der Leitstelle Hubschrauber angefordert haben, man uns aber nur gesagt hat: ‚Es kommen keine‘. Das war die einzige Information. Die Informationskette war komplett nicht vorhanden. Alles, was wir über das Hochwasser an Informationen hatten, haben wir selbst recherchiert.“
Resilienz, Krisen- und Risikomanagement sind entscheidend
„Katastrophe kann man nicht üben“, lautete das auf den ersten Blick etwas ernüchternde Fazit des Eschweiler Klinik-Geschäftsführers aus den Erfahrungen vom Juli 2021. Die Ereignisse von Eschweiler beschreiben allerdings ganz gut, worauf sich Kliniken – und nicht nur die – künftig bei Extremwetter-Ereignissen einstellen müssen.
„Es gibt da keine einfache Lösung“, räumte Jan Bäumer vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in seinem Vortag ein. Dennoch könnten Krankenhäuser sich auf Extremlagen vorbereiten. Reine Checklisten oder punktuelle Einzelmaßnahmen jedoch brächten nicht den nötigen Erfolg. Was der einen Klinik helfe, könne für die andere schon wieder falsch sein. „Sehr überspitztes Beispiel: Ein Krankenhaus auf dem Berg, da brauche ich keine Hochwasserschutzwand, ist aber oft in Checklisten drin.“
Bäumer empfiehlt, den Blick zu weiten, und setzt auf „umfassende und nicht nur punktuelle Resilienz“, auch wenn der Begriff in den vergangenen Jahren recht inflationär gebraucht werde. „Resilienz aufzubauen, bedeutet, dass wir unter Beachtung aller Gefahren, die da sind, ein Risko- und Krisenmanagement aufbauen.“ Unsere hochvernetzte Welt verstärke die Abhängigkeiten von- und untereinander. Krankenhäuser könnten „indirekt“ von Notlagen betroffen sein, obwohl sie „direkt“ damit nichts zu tun hätten. „Wir sind abhängig von Lieferketten und Dienstleistungen auch abseits der kritischen Infrastruktur, die wir in Krankenhäusern brauchen.“ Bäumer spricht von „Kaskadeneffekten“, wie sie auch das Sankt-Antonius-Hospital in Teilen selbst erlebte.
Krisen- und Risikomanagement seien kontinuierliche Aufgaben. „Denn die Gegebenheiten, ändern sich: die Gebäudestruktur, die Personalstruktur, aber auch die Gefahrenlage. Das braucht Zeit. Das braucht Personal“, so Bäumer. Vor allem zusätzliches Personal: Chefärztinnen, Ober- oder Notärzte hätten wichtigere Dinge zu tun. Darüber hinaus müssten andere Dienstleister und weitere Bereiche der kritischen Infrastruktur frühzeitig und aktiv einbezogen werden. „Wenn man ein solches Risiko- und Krisenmanagement in seiner Gänze erfüllen und ordentlich umsetzen möchte, ist ein Austausch mit externen Akteuren notwendig. Das betrifft die Gefahrenabwehr, aber auch die zuständigen Behörden“, um zu wissen, was jeder einzelne zu leisten in der Lage ist, und nicht falsche Erwartungen zu erwecken.
Ein Knackpunkt sei die „heterogene und teils unkonkrete Gesetzgebung“. Katastrophenschutz ist Ländersache. Deshalb gibt es auch 16 unterschiedliche Landesgesetze „in verschiedenen Detailgraden“. Auf Bundesebene erschöpfe sich folglich vieles in Empfehlungen, was Bäumer nicht als Kritik am Bundesgesundheitsministerium verstanden wissen will. „Eine Empfehlung garantiert aber leider immer noch keine Umsetzung. Dementsprechend bedarf es eben doch noch einheitlicher und verpflichtender Vorgaben, die eine Steigerung der Resilienz und des All-Gefahren-Ansatzes fordern.“
Eschweiler und das Ahrtal passen ins Bild
Extremwetter werden häufiger. Das ist kein neuer Befund. Seit rund 30 Jahren beschäftigt sich Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst mit Klima und Umwelt. Inzwischen leitet er den einschlägigen Geschäftsbereich. Das Risiko solcher Extremwetter-Ereignisse wie Hitze, Hagel, Sturm, Gewitter und Regen, verbunden mit Sturzfluten und Überschwemmungen, aber auch extreme Kälte mit Eis und Schnee sei um das 1,2- bis neunfache gestiegen, machte das DWD-Vorstandsmitglied unmissverständlich klar. Das gelte etwa auch für das Ahrtal oder Eschweiler, wo verhältnismäßig kleine Flüsse nach extrem hohen Niederschlagsmengen sturzbachartig über die Ufer getreten sind. „Ohne Klimawandel wären diese Ereignisse deutlich geringer ausgefallen“, sagte Fuchs in seiner Keynote. Wir selbst jedoch seien diejenigen, die zur Verstärkung beitrügen. „Kohlendioxid, Methan, Lachgas tragen dazu bei, dass sich unser Klimasystem und der Strahlungshaushalt der Erde verändern und somit zur Verstärkung des Treibhauseffektes beitragen.“
Im vergangenen Jahr sei Deutschland von dauerhaften Regenfällen und auch Hitzewellen verschont geblieben, hielt Fuchs fest, verwies aber im gleichen Atemzug auf Süd- und Südosteuropa: Österreich, Tschechien und die Region um Valencia im Osten Spaniens. „Die letzten zwei Jahre hatten wir einfach Glück“, so Fuchs. Aber 2022, erinnerte der DWD- Vorstand, sei Deutschland von einer intensiven Hitze- und Trockenperiode mit entsprechenden Auswirkungen betroffen gewesen: Brände, enormes Niedrigwasser und Dürre in der Land- und Forstwirtschaft. „Wenn man länger in die Zukunft blickt, gibt’s die großen Literaturstudien des Weltklimarates IPCC, die auch in ihrem letzten Report vor zwei Jahren noch einmal deutlicher gezeigt haben, dass eine ansteigende Tendenz für Extremwetter-Ereignisse klimawandelbedingt zu erwarten ist, sowohl in der Häufigkeit als auch in der Intensität“, warnte Fuchs.
Glück im Unglück
Zurück nach Eschweiler: Am Ende kamen dann doch fünf Hubschrauber, von denen jeder aber wegen aufziehenden Nebels nur einmal fliegen konnte. Die übrigen Patienten wurden, nachdem das Wasser wieder etwas zurückgegangen war, mit Rettungswagen evakuiert. Wer noch gut zu Fuß war, wurde von der Bauernschaft im Ort per Traktor abgeholt, so dass Geschäftsführer Wagenbach erleichtert vermelden konnte: „Bei der ganzen Evakuierung hat kein einziger Patient irgendeinen Schaden erlitten.“ Lediglich eine Mitarbeiterin habe sich zwei Zehen gebrochen, weil ihr beim Aufräumen etwas auf die Füße gefallen sei.
Vom ersten Tag an haben rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst tatkräftig mit angepackt. Alle zwei Tage fand eine Mitarbeiterversammlung in der örtlichen Kirche „Peter und Paul“ statt. „Kommunikation: ein ganz wichtiges Tool“, berichtete Wagenbach. „Die Mitarbeiter brauchten eine Zielplanung, damit sie wussten, worauf sie hinarbeiten.“ Nach 14 Tagen hat das Krankenhaus mit Notstrom die Versorgung der onkologischen ambulanten Patienten wieder aufgenommen. Anfang Oktober – also nicht einmal volle drei Monate nach der Katastrophe – hat das Hospital wieder die vollstationäre Versorgung begonnen.
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