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EHEC meldet sich zurück

16.09.2025 Tim Ende 4 Min. Lesedauer

Die Häufung von EHEC/HUS-Fällen in Mecklenburg-Vorpommern hat einer Infektionskrankheit neue Aufmerksamkeit beschert, die seit dem letzten größeren Ausbruch vor 14 Jahren nur noch wenig Beachtung fand. Was ist EHEC und vor welche Herausforderungen stellen Ausbrüche das Gesundheitssystem?

In Mecklenburg-Vorpommern war es seit Mitte August zu einer auffälligen Häufung von EHEC-Erkrankungen gekommen.

Der letzte große EHEC-Ausbruch in Deutschland liegt lange zurück. 2011 steckten sich fast 4.000 Menschen an, 53 starben. Mit Blick auf die Zahl der HUS-Fälle (hämolytisch-urämisches Syndrom), das schwere Verläufe verursacht, war es nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sogar der größte bisher bekannte Ausbruch weltweit. Seit Mitte August 2025 sorgt die Krankheit wegen eines anhaltenden Ausbruchs in Mecklenburg-Vorpommern mit bisher 62 bestätigten Fällen (Stand: 14. September) wieder für Aufmerksamkeit.

Kleinkinder besonders gefährdet

Für gesunde Menschen kann EHEC zwar zu „unangenehmen bis schwerwiegenden Magen-Darm-Erkrankungen“ führen, wie Professor Dr. med. Dominik Müller aus der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Nephrologie und Stoffwechselmedizin an der Charité Berlin, erläutert. Doch besonders gefährdet seien Kleinkinder und ältere Leute, erklärt der Mediziner, der in seiner Klinik auch Fälle aus dem aktuellen Ausbruch aus Mecklenburg-Vorpommern behandelt.

Bei ihnen können schwere Verläufe mit Auftreten der gefürchteten HUS-Komplikation vorkommen, bei der es zur Zerstörung der roten Blutkörperchen, zu Blutgerinnungsstörungen und Funktionsstörungen der Nieren bis hin zu akutem Nierenversagen kommen kann.

Hochansteckende Darmerkrankung

EHEC ist die Abkürzung für Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), ein robustes und hoch ansteckendes Darmbakterium, das vor allem bei Wiederkäuern, also etwa Kühen und Ziegen, vorkommt. Die Tiere erkranken laut „EHEC-Steckbrief“ des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) in der Regel nicht, können die Bakterien aber in ihrem Kot ausscheiden. Menschen können sich etwa beim Streicheln von Tieren anstecken, deren Fell mit Kotspuren verunreinigt ist. Eine Ansteckung in verunreinigten Gewässern sowie durch den Verzehr von rohen oder unzureichend erhitzten Lebensmitteln wie Rohmilch, Gemüse, Fleisch und Samen ist ebenfalls möglich. Von Mensch zu Mensch kann es zudem über Schmierinfektionen zu Ansteckungen kommen.

Tausende EHEC-Infektionen jährlich in der Bundesrepublik

In Deutschland erkranken nach wie vor Tausende Menschen jährlich an EHEC. So wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) 2023 mehr als 3.440 Erkrankungen erfasst, 2024 waren es etwa 4.570 und in diesem Jahr rund 4.270 (Stand: 15. September).

„Kleinere Ausbrüche kommen immer mal wieder vor, auch im Ausland, etwa in Fast-Food-Ketten in den USA, wenn die Nahrung eben nicht pasteurisiert, nicht durchgebraten, nicht durchgekocht oder gut gewaschen ist“, erklärt Müller.

„Was wir aber gerade in Nord- und Ostdeutschland sehen, ist ein besonderer Keim, einer, der sehr selten in Deutschland vorkommt, der jedoch fast immer mit einem HUS vergesellschaftet ist“, so der Professor weiter. „Das heißt, wenn er so selten vorkommt und die infizierten Kinder fast alle diesen Keim haben, dann muss es eine gemeinsame Quelle geben.“

Suche nach Infektionsquelle in Mecklenburg-Vorpommern

Der Keim, von dem Müller spricht, trägt den Namen O45:H2 und wurde am 5. September vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Salmonellen und andere bakterielle Enteritis-Erreger am RKI entdeckt. Mit diesem Bakterienstamm können die bislang gemeldeten Fälle eindeutig dem Ausbruch zugeordnet werden. Demnach zählt das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern (LAGuS MV) nun 20 der bislang 62 gemeldeten Fälle in dem Bundesland dem entdeckten Bakterienstamm und damit dem Ausbruch zu (Stand: 14. September).

Betroffen sind bzw. waren 17 Kinder und drei Erwachsene. In sieben Fällen, ausschließlich bei den Kindern, entwickelte sich HUS. Die anderen bestätigten EHEC-Fälle in Mecklenburg-Vorpommern „werden bis zum Abschluss der Labordiagnostik weiterhin als Verdachtsfälle geführt und erst danach endgültig eingeordnet“, heißt es vom Landesamt.

EHEC-Ausbruch zeigt Probleme im Gesundheitswesen

Der Ausbruch ist damit deutlich kleiner als 2011, zeigt aber, wie schnell eine vergessene Krankheit erneut ins öffentliche Bewusstsein rückt. In Berlin stieg die Zahl besorgter Eltern in Kliniken deutlich, berichtet Müller. Eine Belastung für das ohnehin angespannte Gesundheitssystem, so der Mediziner. Wichtig sei daher, Panik zu vermeiden und Kapazitäten vorzuhalten.

Denn in seiner Klinik mussten, so berichtet der Darmspezialist aus jüngster Erfahrung, mehrere Kinder in andere Städte verlegt werden, weil die eigenen Plätze nicht ausreichten. „Wir mussten Patienten nach Leipzig und nach Hamburg weiterleiten, und konnten aber fünf Patienten selbst versorgen“, so Müller. „Für Eltern, die völlig schockiert in der Rettungsstelle sitzen, weil ich sie über ein akutes Nierenversagen ihrer Kinder aufkläre, ist es schwer zu verstehen, dass wir sie auch noch in eine andere Stadt verlegen müssen.“

Doch zusätzliche Kapazitäten kosten Geld. Für Investitionen in Krankenhäuser sind die Länder zuständig, sie kommen dieser gesetzlichen Pflicht jedoch nicht ausreichend nach – wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) etwa in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf der Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) Anfang Januar dieses Jahres betonte.

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Wie sich EHEC-Infektionen vorbeugen lassen

Um EHEC-Ausbrüche zu verhindern, hat der Gesetzgeber Vorsorge getroffen. Zentrale Grundlage ist das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch, kurz Lebensmittelgesetz. Es verbietet Bauern etwa, unpasteurisierte, also nicht hocherhitzte, Milch zu verkaufen. Damit soll verhindert werden, dass Krankheitserreger wie EHEC über Rohmilch weitergegeben werden.

Wichtiger ist aber die Hygiene im Alltag. Kinder sollen nach Besuchen von Bauernhöfen oder Streichelzoos die Hände mit warmem Wasser und Seife waschen, bevor sie sie in den Mund nehmen. Speisen und Getränke in Zoos gehören nicht in Tierbereiche.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport in Mecklenburg-Vorpommern rät außerdem: Gemüse waschen und schälen, Fleisch durchgaren, rohe Tierprodukte kühl lagern, eigene Küchenutensilien für rohes Fleisch nutzen, Rohmilch abkochen und Sprossen gründlich erhitzen.

Krankenhäuser, Pflegeheime und andere Einrichtungen müssen strenge Hygiene einhalten. Dazu zählen Händedesinfektion, Isolierung von infizierten Patientinnen und Patienten, Desinfektion von Flächen und sauberer Umgang mit Wäsche. Für EHEC gilt zudem Meldepflicht beim Robert-Koch-Institut.

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