MD fordert mehr Risikoaufklärung bei Igel-Angeboten
Von Patienten und Patientinnen selbst gezahlte Individuelle Gesundheitsleistungen (Igel) haben häufig nicht den versprochenen Nutzen. Sie können laut Medizinischem Dienst Bund (MD Bund) sogar nachweislich schädlich sein, etwa bei Knie- und Hüft-Behandlungen. „Bei der Auswertung der Studien zu Hyaluronsäure-Injektionen bei Hüft- und Kniegelenksarthrosen zeigt sich, dass der Schaden den Nutzen überwiegt“, sagte Stefan Lange, Bereichsleiter Evidenzbasierte Medizin beim MD Bund, heute in Berlin. Ein großes Manko ist den Experten zufolge fehlende Aufklärung der Betroffenen.
Jährlich geben gesetzlich Versicherte mindestens 2,4 Milliarden Euro für Selbstzahler-Angebote in ärztlichen Praxen aus, geht aus dem aktuellen Igel-Monitor hervor. Knapp 400 Millionen Euro gehen dabei allein auf das Konto von orthopädischen Leistungen. Ein wissenschaftliches Team des Igel-Monitors hat deshalb genauer hingeschaut und ist zu dem Fazit gekommen, dass Hyaluronsäure-Injektionen bei Knie- und Hüftgelenksarthrose „negativ“ zu bewerten sind. „Das Risiko für unerwünschte Ereignisse ist deutlich erhöht. Die damit verbundene Schmerzreduktion ist so minimal, dass sie klinisch nicht von Bedeutung ist“, sagte Lange. Folgen könnten Gelenkentzündungen oder Herzbeschwerden sein.
Bei Behandlungen mit der sogenannten extrakorporalen Stoßwellentherapie gegen Tennisarm und Kalkschulter ist daneben laut MD Bund der Nutzen „unklar“. Das Experten-Team konnte nur wenige aussagefähige Studien zum Einsatz der Stoßwellentherapie hierfür finden. Teils kamen die Studien demnach sogar zu widersprüchlichen Ergebnissen, ob diese Therapie nutzt oder schadet.
Der MD Bund fordert deshalb, die Gesundheitskompetenz Betroffener zu stärken. „Uns besorgt, dass die Patientinnen und Patienten in den ärztlichen Praxen oftmals nicht über das Schadensrisiko aufgeklärt werden“, sagte Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des MD Bund. Häufig wären Informationen interessengeleitet. „Wir brauchen Fakten statt Werbung in den Wartezimmern.“ Die Praxen sollten daher verpflichtet werden, unabhängig erstellte wissenschaftsbasierte Bewertungen und Informationen regelhaft anzubieten. Empfohlene Igel-Behandlungen sollten darüber hinaus nicht am selben Tag erbracht werden dürfen.
Mit diesen Maßnahmen könnten Patienten auch im Sinne des Koalitionsvertrages der Bundesregierung gestärkt werden, betonte Gronemeyer. Darin heißt es: „Bei medizinischen Behandlungen stärken wir Patientinnen und Patienten gegenüber den Behandelnden“. (imo)