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Ruf nach geringerer Zahl der Krankenkassen – Kassen sehen Scheindebatte

15.07.2025 2:30 Min. Lesedauer

Die dramatische Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat eine Debatte über die Zahl der Krankenkassen entfacht. „Es kann nicht sein, dass wir über Milliardendefizite reden, aber gleichzeitig fast 100 gesetzliche Krankenkassen mitfinanzieren“, sagte der CSU-Politiker Klaus Holetschek der „Bild“-Zeitung. Unterstützung kam von SPD-Politiker Jochen Ott. „Mit weniger Kassen und weniger unnötigen Untersuchungen, dafür mit mehr Einzahlern und einer finanziell solideren Basis“, zitierte „Bild“ die Zustimmung des Fraktionschefs im Landtag Nordrhein-Westfalens. Dagegen warnen die Kassen, die Diskussion lenke von den eigentlichen Problemen der GKV ab.

„Selbst wenn man alle Krankenkassen über Nacht abschaffen würde und es Null Euro Verwaltungskosten geben würde, dann würde die eingesparte Summe nicht mal ausreichen, um die Kostensteigerungen bei den Leistungsausgaben auszugleichen“, sagte der Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV), Florian Lanz, zu G+G. Wer ernsthafte Reformen im Gesundheitswesen wolle, sollte sich nicht von der Alibidebatte um die Anzahl der Krankenkassen ablenken lassen. Deren Zahl sollte im Wettbewerb entschieden werden.

Der AOK-Bundesverband wies darauf hin, dass die Zahl der Kassen seit 1996 von 642 auf rund 90 gesunken sei. „Der Verwaltungskosten-Anteil an den GKV-Gesamtausgaben beträgt heute rund vier Prozent und ist damit sogar rückläufig“, sagte Verbandssprecher Kai Behrens zu G+G. Eine Vereinheitlichung der Kassenlandschaft führe nicht automatisch zu geringeren Verwaltungskosten, wie das Beispiel Österreichs zeige. Hier seien bis heute keinerlei Einsparungen erzielt worden. Zur Behebung des Effizienzproblems im Gesundheitswesen müssten neben den Einnahmen vor allem die Leistungsausgaben der GKV in den Blick genommen werden.

Die Kassen zeigen sich alarmiert von der wachsenden Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben. Während die Kosten für die Leistungen pro Versicherten im vergangen Jahr um 7,8 Prozent stiegen, wuchsen die Einnahmen nur um 5,3 Prozent. Dieser Trend setzt sich dieses Jahr ungebrochen fort. Um weitere Beitragssteigerungen zu vermeiden, fordern die Kassen ein sofortiges Ausgabenmoratorium.

Die GKV schloss 2024 mit Rekordschulden in Höhe von 6,5 Milliarden ab. Berichten zufolge könnte das Defizit bis 2027 auf zwölf Milliarden Euro anwachsen. „Was fehlt, ist der politische Wille, die GKV zu stabilisieren“, schrieb der BKK-Dachverband auf X. Gestern hatte die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ grundlegende Reformen der Sozialversicherungen angemahnt. (at)